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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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aufgemuntert.
    Nein. Wenn er deprimiert war, hat er immer gesagt, daß er Senyora Elisenda mit Leib und Seele gedient hat und daß sie eine große Dame war. Daß er ihretwegen immer auf Senyoret Marcel aufpassen mußte, der eine Katastrophe war. Daß er Senyora Elisenda Tausende von Kilometern umherkutschiert hat, daß er sie vor allen Gefahren beschützt hat und daß sie ihn zuletzt trotzdem abgeschüttelt hat wie einen Mistkäfer.
    Nein, ich weiß nicht, warum. Er wollte nicht darüber reden.
    Natürlich. Eine große Dame, zuerst war sie Senyora Elisenda für ihn und zuletzt Elisenda, die Hure.Verzeihung. Ich glaube ja, Jacinto war in sie verliebt.
    Das hat er mir nicht erzählt. Undankbarkeit nach so vielen Jahren treuer Dienste, nehme ich an.
    Soll ich ehrlich sein? Ich weiß nicht, ob sie noch lebt, und es interessiert mich auch nicht.
    Woher denn! Er wollte nicht darüber reden, aber er kannte so viele Geheimnisse von ihr …
    Nun … Warum wollen Sie das wissen?
    Was soll ich Ihnen sagen. Liebhaber. Viele. Und dann ist sie eines Tages ganz fromm geworden und hat den ganzen Tag mit dem Pfarrer in der Kirche geredet. Das hat Jacinto erzählt.
    Nun, ich glaube, daß Jacinto einer von den Liebhabern war. Er hat es nie gesagt, aber …
    Manche Dinge muß man nicht sagen …
    Nein. Sie war unfruchtbar. Senyora Elisenda war unfruchtbar, sie konnte keine Kinder bekommen.
    Weil ein Chauffeur praktisch in seinem Wagen lebt, er kurbelt die Trennscheibe richtig hoch oder auch nicht, er macht die Türen auf, er hört Telefongespräche mit an, er verteilt Briefe und führt Aufträge aus, er holt Leute ab … Und er wird dafür bezahlt, daß er fährt und den Mund hält.
    Warum hätte er mich anlügen sollen, der Arme? Als er hierherkam, hatte er schon keine Lust mehr zu leben.
    Na, das ist völlig klar, daß Senyoret Marcel nicht ihr Sohn ist.
    Ja, er heißt Marcel.
    Woher soll denn ich das wissen! Meiner ist er jedenfalls nicht.
    Die Reichen machen, was sie wollen. Sie haben sogar das Kind umgetauft.
    Nun, sie haben ihm einen neuen Namen gegeben.
    Weil er das am Steuer mitbekommen hat.«
    »Ich will nicht, daß mein Sohn heißt wie einer der Mörder meines Vaters und meines Bruders. Kümmere dich darum, Romà.«
    »Dazu muß ich zum Standesamt und zur Kirche. Ich hoffe, es gibt keine …«
    »Erledige das, das ist deine Arbeit. Mein Sohn heißt Marcel wie mein Großvater.«
    »Ich werde das für dich erledigen, Elisenda.«
    »Ja, ich weiß nicht, wie er vorher hieß, aber dann hieß er Senyoret Marcel. Haben Sie unsere schönen Glyzinien gesehen?«

58
    »Ich glaube an das Gleichgewicht einer gesunden, starken Natur und an die Leute von Greenpeace, die sie schützen und erhalten, und an alle menschlichen Wesen, die dem Haß zwischen den Individuen und den Völkern abschwören. Ich glaube daran, daß alle Menschen gleich sind, und ich lehne Krieg und die Unterschiede aufgrund von Geschlecht, Rasse …«
    »Nun mach aber mal einen Punkt. Die Geschlechter sind unterschiedlich, und die Rassen auch.«
    »Ich glaube daran, daß alle Menschen gleich sind und lehne Krieg und die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts …«
    »Ja, das ist gut, du. Diskriminierung.«
    »Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse, Religion, Herkunft ab, und ich glaube daran, an nichts zu glauben, was den freien Geist des Menschen trüben könnte.«
    Vom Balkon ihrer neuen Wohnung aus betrachteten Jordi und Tina den Fluß, der schon von den Wassern des Pamano gespeist wurde, und ein Stück des Berges, an dessen Hang, ohne daß sie es wußten, Torena lag. Was für eine reine Luft! Wieso sind wir nicht früher darauf gekommen, in den Bergen zu leben, wo die Leute, wie es heißt, rein und edel, klug, reich, frei, rege und glücklich sind!
    »Ich liebe dich, Jordi.«
    »Ich dich auch. Komm, wir haben gesagt, wir sind um eins da.«
    Tina und Jordi feierten ihren ersten Tag in Sort mit einer Paella bei Rendé. Am Nebentisch aß Feliu Bringué mit einem Kunden zu Mittag, nachdem er dem Festakt zum Austausch der Straßenschilder in Torena vorgestanden hatte, underzählte, er habe sich wie geläutert gefühlt, als die Namen des Faschismus fielen, der in dieser Gegend besonders hart gewesen war.
    »Er war überall hart.«
    »Aber in den kleinen Dörfern war es schlimmer. Der Haß klebt noch immer an den Hauswänden. Alle kennen sich, und alle wissen, wer was gemacht hat. Ich weiß, wo die Massengräber liegen.«
    »Viele Leute wissen es, aber sie halten

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