Die Stimmen des Flusses
der Kommandantur noch nicht wissen.«
Valentí Targa war glücklich, wenn er Neuigkeiten verkünden durfte. Das war Macht in Reinform, Information gegen Unwissenheit,Wahrheit gegen Chaos. Er nahm die Zigaretteund hielt sie Oriols Anweisungen entgegen in der Hand, mit der er auf Oriol deutete.
»Willst du es wissen?«
Oriol sagte weder ja noch nein. Sagte er ja, erzählen Sie schon, könnte soviel Eifer den anderen mißtrauisch stimmen. Sagte er, ich will nichts davon wissen, könnte das ebenfalls verdächtig erscheinen, denn wer will kein Geheimnis erfahren, noch dazu in diesen schwierigen Zeiten? Und so machte er eine Handbewegung, die alles und nichts bedeuten konnte, lächelte flüchtig und tat, als müßte er sich auf die Augenbrauen konzentrieren. Valentí konnte nicht mehr an sich halten: »Der Maquis zieht sich aus der Gegend zurück.« Er musterte Oriol scharf, um sich nicht die kleinste Regung entgehen zu lassen.
»Und woher wissen Sie das?« Er widmete sich wieder der Leinwand, um deutlich zu machen, daß ihn die Geschichte nur mäßig interessierte. Außerdem wollte er Valentís Blick nicht standhalten müssen.
»Das ist geheim«, erklärte dieser zufrieden. »Aber ich weiß es aus sicherer Quelle.«
Der Maquis zieht sich aus der Gegend zurück. Adieu, Freund Morrot, den ich nicht lebend kennengelernt habe. Aber Valentí sagte nicht, »Neulich wollte mich übrigens jemand kaltmachen, und das warst du«, und nicht: »Du Saukerl, vor zehn Tagen wolltest du mich mit einem Genickschuß erledigen. Im Restaurant Estació de Vilanova.« Statt dessen erzählte er ihm, die beiden Polizisten seien ihm auf seinem Rückweg von La Pobla rein zufällig über den Weg gelaufen und hätten ihm einen Bericht über ein sehr wichtiges Ereignis ausgehändigt, »und Oberst Salcedo, der meint, daß er hier oben das Sagen hat, wird schon sehen, daß die aus Tremp kommen und ihm erklären, was hier läuft. Er ist eine Flasche, meint, er könnte mir was über Patriotismus erzählen und mir Scherereien machen, wenn der arme Yuste nicht da ist, der sich noch von dem Ärger erholen muß.«
Beide schwiegen eine Zeitlang. Valentí rauchte seineZigarette zu Ende und zermalmte sie im Aschenbecher. Vielleicht dachte er dabei an Oberst Salcedo.
»Ach, und noch was: Morgen kommst du mit zum Abendessen mit den Kameraden aus dem Bezirk. In voller Uniform.«
Er dachte einen Augenblick nach, dann sah er ihn an: »Das kriegst du unmöglich bis morgen fertig, oder?«
»Das Bild?«
Oriol breitete die Hände aus, um zu zeigen, daß er es ehrlich meinte: »Nicht einmal, wenn wir die ganze Nacht hier säßen und ich morgen nicht zur Schule ginge.«
»Du kannst dir freinehmen. Ich erlaube es dir.«
»Aber nicht einmal so würden wir fertig werden. Und die Qualität würde darunter leiden.«
»Das auf keinen Fall.« Er überlegte eine Weile und schüttelte dann den Kopf: »Schade.«
»Sie wollen stellvertretender Provinzchef der Falange werden.«
War er zu weit gegangen? Vielleicht nicht. Senyor Valentís Blick, verborgen hinter dichten Schwaden abgestandenen Rauchs, machte ihm angst. Jetzt wird er mir sagen, du Saukerl, vor zehn Tagen und so weiter.
»Du bist clever. Woher weißt du das?«
»Ich habe es mir zusammengereimt.«
»Wenn du mir hilfst, mache ich dich zu meinem persönlichen Sekretär, ich schwör’s.«
Spielt er mit mir?
»Das wäre mir eine Ehre, Senyor Valentí. Und wie kann ich Ihnen helfen?«
»Zunächst mal könntest du den Papierkram für mich erledigen, du kannst gut schreiben, und ich kriege das, ehrlich gesagt, nicht hin. Es gibt Papiere im Rathaus, die …«
»Eine Hilfskraft im Rathaus.«
»Genau. Bis wir einen Gemeindesekretär haben.«
Oriol schwieg. Was hätte er auch sagen können.
»Ich zahle dir was drauf.« Damit war für Valentí allesbeschlossene Sache. »Und außerdem kannst du mir einen Bericht schreiben über … Warte mal, weißt du was? Für heute haben wir genug gemalt. Jetzt sage ich dir, was du für mich tun kannst …«
Und so verfaßte ich eine Lobrede. Ich hätte sie auch geschrieben, wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, zum Maquis zu stoßen, dann aber aus Furcht, während ich jetzt wußte, daß ich damit dem Freiheitskampf einen Dienst erwies. Es war ein peinlicher Bericht darüber, was für ein Glück es war, daß Targa für Ordnung in dieser Gegend sorgte, die unter den Aktionen des Maquis schwer gelitten hatte und deren Bewohner ungebildete Leute waren, verdorben von den
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