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Die Stimmen von Marrakesch

Die Stimmen von Marrakesch

Titel: Die Stimmen von Marrakesch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Canetti
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Schicksal kannte und schlich mich davon. Mein Freund hatte sich während der Erzählung des Führers abgewandt, er war irgendwelchen Engländern auf der Spur. Ich suchte ihn, bis ich ihn auf der anderen Seite des Platzes fand, er war unter die Esel geraten. Vielleicht fühlte er sich hier weniger unbehaglich. Während der übrigen Zeit unseres Aufenthaltes in der roten Stadt sprachen wir nie mehr von Kamelen.

DIE SUKS
    Es ist würzig in den Suks, es ist kühl und farbig. Der Geruch, der immer angenehm ist, ändert sich allmählich, je nach der Natur der Waren. Es gibt keine Namen und Schilder, es gibt kein Glas. Alles was zu verkaufen ist, ist ausgestellt. Man weiß nie, was die Gegenstände kosten werden, weder sind sie an ihren Preisen aufgespießt, noch sind die Preise fest.
    Alle Gelasse und Läden in denen dasselbe verkauft wird, sind dicht beieinander, zwanzig oder dreißig oder mehr von ihnen. Da gibt es einen Bazar für Gewürze und einen für Lederwaren. Die Seiler haben ihre Stelle und die Korbflechter die ihre. Von den Teppichhändlern haben manche große, geräumige Gewölbe; man schreitet an ihnen vorbei wie an einer eigenen Stadt und wird bedeutungsvoll hineingerufen. Die Juweliere sind um einen besonderen Hof angeordnet, in vielen von ihren schmalen Läden sieht man Männer bei der Arbeit. Man findet alles, aber man findet es immer vielfach.
    Die Ledertasche, die man möchte, ist in zwanzig verschiedenen Läden ausgestellt und einer dieser Läden schließt unmittelbar an den anderen an. Da hockt ein Mann inmitten seiner Waren. Er hat sie alle ganz nah bei sich, es ist wenig Platz. Er braucht sich kaum zu strecken, um jede seiner Ledertaschen zu erreichen; und nur aus Höflichkeit, wenn er nicht sehr alt ist, erhebt er sich. Aber der Mann im Gelaß neben ihm, der ganz anders aussieht, sitzt inmitten derselben Waren.
    Das geht vielleicht hundert Meter so weiter, zu beiden Seiten der gedeckten Passage. Es wird sozusagen alles auf einmal angeboten, was dieser größte und berühmteste Bazar der Stadt, des ganzen südlichen Marokko an Lederwaren besitzt. In dieser Zurschaustellung liegt viel Stolz. Man zeigt, was man erzeugen kann, aber man zeigt auch wieviel es davon gibt. Es wirkt so, als wüßten die Taschen selber, daß sie der Reichtum sind und als zeigten sie sich schön hergerichtet den Augen der Passanten. Man wäre gar nicht verwundert, wenn sie plötzlich in rhythmische Bewegung gerieten, alle Taschen zusammen, und in einem bunten orgiastischen Tanz alle Verlockung zeigten, deren sie fähig sind.
    Das Gildengefühl dieser Gegenstände, die von allen andersartigen abgesondert beisammen sind, wird vom Passanten für jeden Gang durch die Suks nach seiner Laune wiedergeschaffen. »Heute möchte ich unter die Gewürze gehen‹, sagt er sich und die wunderbare Mischung von Gerüchen steigt in seiner Nase auf und er sieht die großen Körbe mit dem roten Pfeffer vor sich. ›Heute hätte ich Lust auf die gefärbten Wollen‹ und schon hängen sie hoch von allen Seiten herunter, in Purpur, in Dunkelblau, in Sonnengelb und Schwarz. ›Heute will ich unter die Körbe gehen und sehen, wie sie sich flechten.‹
    Es ist erstaunlich, wieviel Würde diese Gegenstände so bekommen, die der Mensch gemacht hat. Sie sind nicht immer schön, mehr und mehr Gesindel von zweifelhafter Herkunft schleicht sich ein, von Maschinen erzeugt, aus den Ländern des Nordens eingeführt. Aber die Art, in der sie sich präsentieren, ist immer noch die alte. Neben den Läden, wo nur verkauft wird, gibt es viele, vor denen man zusehen kann, wie die Gegenstände erzeugt werden. So ist man von Anfang an dabei, und das stimmt den Betrachter heiter. Denn zur Verödung unseres modernen Lebens gehört es, daß wir alles fix und fertig ins Haus und zum Gebrauch bekommen, wie aus häßlichen Zauberapparaten. Hier aber kann man den Seiler eifrig bei seiner Arbeit sehen, und neben ihm hängt der Vorrat fertiger Seile. In winzigen Gelassen drechseln Scharen von kleinen jungen, sechs oder sieben von ihnen zugleich, an Holz herum, und junge Männer fügen aus den Teilen, die ihnen von den Knaben hergestellt werden, niedrige Tischchen zusammen. Die Wolle, deren leuchtende Farben man bewundert, wird vor einem selbst gefärbt, und allerorts sitzen Knaben herum, die Mützen in hübschen und bunten Mustern stricken.
    Es ist eine offene Tätigkeit, und was geschieht,
zeigt
sich, wie der fertige Gegenstand. In einer Gesellschaft, die so viel

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