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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Kenntnis zu setzen. Dann rief er nach seinem Schreiber und verfasste eine Botschaft an Netnebu, in der er dem Zweiten Propheten befahl, mit den Aufräumungsarbeiten zu beginnen und dafür Sorge zu tragen, dass der Tempel seines zu Osiris gegangenen Bruders wieder errichtet werde. Anschließend eilte er zurück nach Opet-sut und teilte Nesamun mit, dass er gedachte, sich bereits in zwei Wochen zum neuen Herrscher krönen zu lassen.
    »Also gedenkst du, die Trauerzeit nicht einzuhalten, Majestät?«, stellte der Hohepriester fest.
    »Nein, Nesamun. Sie alle sind es nicht wert, dass man um sie weint. Sie haben Schande über sich und die Beiden Länder gebracht. Unter ihrer Herrschaft ist zu viel Unrecht geschehen. Wenn Netnebu ihre Leiber findet, sollen sie zerstört werden, auf dass die Götter sie nicht finden können. Ihre Namen sollen aus allen Dokumenten und Inschriften getilgt werden. Ich will verhindern, dass sie sich beim Totengericht heimtückisch durchschmuggeln können und in den Schönen Westen gelangen.« Er machte eine Pause und sah betrübt zu Nesamun. »Das gilt auch für meine Schwester Bintanat.«
    Ergeben verneigte sich der Hohepriester.
    Chaemwaset hingegen drehte sich um und ging, ohne Nesamun auf seine Bitte um Entlassung eine Antwort gegeben zu haben.
     
    * * *
     
    Am Abend vor der Krönung begab sich Chaemwaset in den Tempel von Opet-sut, um die letzte Nacht als Sterblicher vor dem Naos des Gottes in tiefer Andacht und stillem Gebet zu verbringen.
    Plötzlich hörte er, wie sich ihm schleppende Schritte von hinten näherten.
    Er lauschte aufmerksam.
    Chaemwaset befand im geheimsten Teil des Tempels. Er lag auf den Knien vor den offenen Türen des goldenen Schreins. Er wusste, hier war er sicher, doch er war mehr Soldat als Priester. Sofort war jeder Muskel seines Körpers angespannt und bereit, sich zu verteidigen.
    »Verzeih mir, Majestät, dass ich dich in deinen Gebeten störe«, vernahm er die wohlbekannte greise Stimme des ehemaligen Hohepriesters.
    Chaemwaset entspannte sich und drehte sich ihm zu. »Ich grüße dich, Ramsesnacht.«
    Der frühere Hohepriester deutete eine Verneigung an. »Ich bin gekommen, um mit dir über Dinge zu reden, die du unbedingt vor deiner Krönung erfahren solltest.«
    Verlegen trat der alte Mann von einem Bein auf das andere. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass der zukünftige Herr der Beiden Länder vor ihm auf den Knien lag.
    Chaemwaset entging das nicht.
    Er stand auf und sah den früheren Hohepriester des Amun-Re fragend an. »Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass du mich hier störst, doch glaube ich, dass es triftige Gründe dafür geben wird. Also sprich.«
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass du gedenkst, den Tempel deines Bruders wieder aufbauen zu lassen«, kam Ramsesnacht sofort zur Sache. »Es zeichnet dich als guten Herrscher aus, dass du dich um die Heiligtümer der Götter und deiner Vorfahren kümmerst. Dennoch denke ich, du solltest es nicht tun.«
    Verwundert riss Chaemwaset die Augen auf und starrte sein Gegenüber an. »Und warum nicht?«
    »Um das zu verstehen, musst du Dinge erfahren, die nur dem Pharao und den Priestern der obersten Grade bekannt sein dürfen, Majestät. Du bist zwar inzwischen ein Prophet des Amun-Re, doch du hast dich immer mehr den Soldaten zugehörig gefunden. Vielleicht haben meine Söhne dir deshalb noch nichts davon erzählt. Womöglich ergab sich auch noch nicht der rechte Zeitpunkt dafür.« Er lächelte entschuldigend. »Morgen nun wirst du der Herr über Kemi sein, und nichts darf mehr vor dir geheim gehalten werden.«
    »Dann sprich, Ramsesnacht!«, forderte Chaemwaset ihn auf. »Ich will dir geduldig zuhören.«
    »Es geht um Meritusir, Majestät, die Zweite Prophetin des Osiris«, hob Ramsesnacht an. »Sie wurde durch Osiris erwählt, deinem Bruder zu dienen. Sie war ein göttliches Geschenk und ist nun zu ihrem Gebieter zurückgekehrt. Soweit mir bekannt ist, war es ihre Aufgabe, deinem Bruder den Weg in die Barke des Re zu ebnen. Außer Osiris Ramses und meinem Enkel Amunhotep kannte niemand den wahren Grund, weshalb sie von den Göttern gesandt wurde. Doch da sie beim Bau des Hauses für die Ewigkeit mitgeholfen hat, muss das der Anlass gewesen sein. Zudem konnte Meritusir deinen Bruder davon überzeugen, dass er sich im heiligen Boden von Abydos in der Nähe von Osiris beisetzen lässt. Deine Vorfahren taten es stets hier in Theben, wo sie unter dem Schutz der Göttinnen Meretseger und Hathor ruhen.

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