Die Strafe des Seth
zu niedrig ausfallen könnte, was im kommenden Jahr zu einer Hungersnot unter der armen Bevölkerung führen dürfte. Er sieht sich allem Anschein nach gezwungen, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Somit hat er angeordnet, Sorge dafür zu tragen, dass die Verteilung der Getreide- und Nahrungsmittelvorräte im kommenden Jahr gerecht erfolgt. Wie ich hörte, hat er in den Städten entlang des Nil die Propheten der Götter sowie seine Beamten angewiesen, mit den vorhandenen Vorräten sparsamer umzugehen. Dennoch sollen sie nicht knausern, da schon jetzt die Bevölkerung Hunger leidet. Sein Befehl lautet, für jeden – ob arm oder reich, ob Bauer, Handwerker oder Priester – die Rationen zu kürzen. Niemand darf bevorzugt oder benachteiligt werden.«
»Also steht es bereits so schlimm um Kemi«, hatte Sethi sinniert und war mit der Entwicklung zufrieden gewesen. Seine Bemühungen, das Korn aus den Speichern nicht in die Mägen der Bevölkerung fließen zu lassen, sondern in seine eigenen Vorratshäuser, trugen erste Früchte.
»Trotz geringerer Ernten hat die Versorgung unter anderen Pharaonen stets funktioniert«, berichtete Senenmut derweil weiter, der nichts von den Unterschlagungen im Tempel des Re von Heliopolis und dem des Ptah in Memphis wusste, »doch im vergangenen Jahr ist es immer wieder zu Engpässen und verspäteten oder gekürzten Lieferungen gekommen. Nicht nur der Adel und einige Mitglieder aus den Priesterschaften des Landes sind verstimmt, auch die Handwerker und Schreiber fangen inzwischen an zu murren.«
»Das höre ich gern«, hatte Sethi erwidert. »Ihr Unmut wird mir den Weg auf den Horusthron ebnen.«
»In der Tat, Sethi. Deine Anhänger sind sich einig, dass es allein Ramses’ Unfähigkeit zu verdanken ist, dass die Beiden Länder am Rande des Chaos stehen. Zudem geben sie dir recht, mein Prinz, dass auf dem Thron der Beiden Länder endlich wieder ein starker Pharao sitzen sollte, und sie setzen all ihre Hoffnungen in dich, den leiblichen Sohn von Osiris Ramses III.«
Sethi hatte die Gemächer seiner Gemahlin erreicht. Er verscheuchte seine Erinnerungen und ließ sich von Senehats Haushofmeister melden.
Als er in den Raum trat, saß Senehat zwischen einer Unmenge von weichen, bunten Kissen auf dem Boden und spielte mit ihrer Tochter, während vier Dienerinnen ihr dabei Gesellschaft leisteten. Überrascht sah die Kleine zu ihm auf, als er nähertrat, und versteckte sich ängstlich in den Armen der Mutter.
»Was willst du, Sethherchepeschef?«, fuhr Senehat ihn an.
»Meinen ehelichen Pflichten nachkommen. Schicke das Kind und deine Dienerinnen hinaus!«, erwiderte er barsch.
»Deinen ehelichen Pflichten? Das wäre etwas völlig Neues. Verschmähen dich deine Dienerinnen?«
»Schweig, Senehat, oder ich bringe dir Gehorsam bei!«, zischte Sethi aufgebracht, doch die junge Frau lachte nur.
»Wenn du das wagen solltest, Sethherchepeschef, werde ich aller Welt erzählen, was für ein fürsorglicher und liebevoller Gemahl und Vater du bist.«
Wütend trat Sethi einen weiteren Schritt auf sie zu, doch Senehat blieb ruhig auf dem Boden sitzen und übergab einer der Dienerinnen ihre Tochter, damit diese nicht Zeuge der Auseinandersetzung zwischen ihren Eltern werden sollte.
Nachdem die Frau das Gemach verlassen hatte, wandte sich Senehat wieder dem Prinzen zu. »Du willst also allen Ernstes deinen ehelichen Pflichten nachkommen, mein Gemahl? Aber das hast du doch bereits vor fünf Monaten das letzte Mal getan. Überanstrenge dich nur nicht.« Sie lächelte süffisant, sodass Sethis Blut zu kochen begann. »Ich habe übrigens eine erfreuliche Nachricht für dich, mein geliebter Gemahl: Das letzte Mal war erfolgreich.«
Verständnislos sah Sethi sie an. »Was meinst du damit?«
Triumphierend half Senehat ihm auf die Sprünge. »Ich bin erneut schwanger und werde dein zweites Kind Mitte des Jahres zur Welt bringen.«
Mit offenem Mund starrte Sethherchepeschef sie an. »Du bist was?« Als ihm bewusst wurde, dass er einen leicht verblödeten Gesichtsausdruck haben musste, presste er die Lippen aufeinander.
»Schwanger, und in ungefähr vier bis fünf Monaten werde ich erneut gebären.« Sie grinste schadenfroh. »Du scheinst überrascht zu sein, mein Gemahl, doch das passiert, wenn ein Mann seinen ehelichen Pflichten nachkommt. Und aus diesem Grunde entbinde ich dich für die nächsten Monate von dieser lästigen Pflicht. Also lass mich bitte allein. Ich fühle mich ermattet und
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