Die Strafe des Seth
muss ruhen, damit dem Kind in meinem Leib kein Schaden widerfährt.« Senehat stand auf und ließ den entgeisterten Sethi stehen.
Dieser brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verarbeiten. Dann sprang er auf sie zu und packte sie derb am Handgelenk. »Du Schlange! Das tust du nur, um mich zu reizen«, zischte er, und sie entwand sich seinem Griff.
»Das stimmt, Sethi, aber ehrlich gestanden wollte ich dich immer nur auf eine andere Art und Weise reizen. Das ist mir nur leider nie geglückt. Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, warum du mich eigentlich geheiratet hast, wenn du nichts für mich empfindest. Egal.« Sie zuckte die Schultern. »Nun sind wir vermählt. Wenn du also willst, dass ich dich verlasse, dann reiche
du
die Scheidung ein. Ich werde es sicher nicht tun. Doch bedenke, dass der Mann stets den Kürzeren zieht.«
Damit drehte sie sich um und war kurz darauf, von ihren Dienerinnen gefolgt, im Garten verschwunden.
Miststück!, dachte Sethherchepeschef wütend und begab sich in seine eigenen Gemächer zurück.
DREI
Die höchsten Würdenträger Kemis hatten sich auf dem Vorplatz des thebanischen Amun-Tempels versammelt. Dichtgedrängt verharrten sie seit Res Erscheinen am östlichen Horizont, um dem lebenden Gott auf Erden, dem Pharao, zu huldigen. Heute war der Tag, an dem das Schöne Fest vom Tal gefeiert wurde.
Ramses hatte sich bereits in der Dämmerung in den heiligen Bezirk begeben, um sich für die Riten zu reinigen. Er trug einen einfachen weißen Schurz, worüber er sich ein golddurchwirktes gefälteltes Gewand mit kurzen Ärmeln gezogen hatte, das in der Mitte von einer goldgesäumten roten Schärpe gehalten wurde. Seine Füße steckten in goldenen, mit Edelsteinen besetzten Sandalen, und auf dem Kopf trug er die Doppelkrone, an deren Vorderseite sich Uräus, die königliche Kobra, und Nechbet, die Geiergöttin des Oberen Königreichs, aufbäumten. Silberne Arm- und Fußreife sowie ein breiter, neunreihiger Halskragen aus Gold und Lapislazuli vervollständigten seine majestätische Erscheinung.
In jenem Moment, als der Sonnengott Re von der Göttin Nut wiedergeboren wurde, brach er das tönerne Siegel, das tags zuvor an den Türen des Naos angebracht worden war, und erweckte den Großen Gott Amun-Re. Er öffnete die Flügel des Schreins und fiel auf die Knie. Dann beugte er den Oberkörper und berührte mit der Stirn den vergoldeten Fußboden des Allerheiligsten.
Als er sich wieder erheben wollte, war ein Zischen aus dem Inneren des Schreins zu hören. Eine riesige Kobra glitt heraus und richtete sich in ihrer vollen Größe vor ihm auf. Die Augen des Tiers waren starr auf ihn geheftet und funkelten ihn wütend an. Langsam begann sich das Reptil vor und zurück zu wiegen, während sich die gespaltene Zunge unaufhaltsam seinem Gesicht näherte. Ramses konnte die gefährlichen Giftzähne deutlich sehen, als die Schlange ihr Maul aufriss und ihn erbost anfauchte, weil irgendjemand sie die gesamte Nacht in dem dunklen, stickigen Raum eingesperrt hatte.
Entsetzt hielten die hinter ihm knienden Priester den Atem an und wagten sich nicht zu bewegen.
Ramses blickte der Kobra fest in die Augen, die ihn ihrerseits musterte.
Nach einer Weile war ihr Interesse erloschen. Sie glitt hinab auf den Boden und schlängelte sich geschwind zwischen den Beinen des Königs hindurch auf den Vierten Propheten zu, der sie wie versteinert anstarrte. Erneut bäumte sich das mächtige Tier auf, wiegte sich hin und her und stieß dann vor.
Mit einem Aufschrei stürzte Senenmut zu Boden, während sich die spitzen Zähne in seinen Hals bohrten und ihr Gift freigaben. Er wand sich im Todeskampf.
Nachdem er diesen Kampf verloren hatte, ließ das Reptil von ihm ab und glitt geräuschlos und unbehelligt dem Ausgang zu. Kurz darauf war es aus dem Blickfeld der Priester verschwunden.
Diese knieten noch immer wie betäubt vor dem Allerheiligsten und sahen fassungslos auf den leblosen Körper des Vierten Propheten. Erst die Stimme des Pharaos holte sie in die Gegenwart zurück. Ramses hatte sich erhoben und war neben Senenmuts Leiche getreten.
»Der Große Gott Amun-Re und die Göttin Uadjet haben Pharaos Feind gerichtet. Schafft die Leiche aus dem Allerheiligsten!«
Er wandte sich wieder dem Götterschrein zu und begann, die vorgeschriebenen morgendlichen Riten abzuhalten. Im Anschluss trat er, gefolgt von der Amun-Priesterschaft, aus dem Tempel von Opet-sut heraus, wo ihn eine
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