Die Strasse der Oelsardinen
das war gerade, als müsse man in einem ungeordneten Museum ohne Beschriftung und Katalog etwas Bestimmtes suchen. Vergessen tat Hazel ja nichts; es lag alles in seinem Gedächtnis zusammenhanglos herum wie die Geräte in einem Ruderboot: Fisch- und Bootshaken, Senkblei, Ruder, Köder, Leine, Treiber - alles durcheinander.
Doc fragte: »Wie steht's denn oben bei euch im Palace?«
Hazel fuhr sich mit der Hand durch den dunklen Haarschopf; sein Verstand spähte in das Gewirr seines Hirnkastens und fand: »Ganz gut... Der Dingsda, der Gay, ich glaub', der zieht zu uns ... Seine Alte verhaut ihn nicht schlecht, das macht ihm weiter nichts aus, wenn er wach ist, aber sie wartet, bis er schläft, und dann haut sie ihm eine 'rein. Dann muß er aufwachen und ihr eine 'reinhauen, und wenn er hernach wieder schläft, haut sie ihm wieder eine 'rein. Wie soll einer da ausruhen? Da zieht er lieber zu uns.«
»Das ist mir ja ganz neu«, staunte Doc, »sonst hat sie ihn doch immer verklagt, und er wurde eingesperrt.«
»Ja-a-a«, machte Hazel, »das war aber auch, eh' das neue Gefängnis in Salinas gebaut worden ist. Im alten, da hat er immer seine dreißig Tage abgesessen und war froh, wenn er 'rauskam. Aber das neue Gefängnis - Radio in der Zelle und gute Betten, der Sheriff ist ein netter Kerl -, wie da Gay 'reingekommen ist, hat er gar nicht mehr 'raus wollen. Es gefällt ihm. Jetzt will ihn seine Alte nicht mehr einsperren lassen. Drum hat sie sich das ja ausgedacht, daß sie ihm eine 'reinhaut, wenn er schläft. Das ist nervenaufreibend, hat er gesagt. Es macht Gay keinen Spaß, ihr eine 'reinzuhauen. Es macht ihn bloß müd. Er zieht jetzt, glaub' ich, zu uns.«
Die ersten Wogen brachen über den Rand des Großen Ebbetümpels. Die Flut nahte. Bäche von Seewasser rieselten über die Felsen. Der Wind blies frisch vom Meere, die Signalboje muhte, die Seelöwen bellten.
»Wir haben genug Seesterne«, rief Doc, nahm sein Gerät zusammen, stülpte den Wetterhut auf den Hinterkopf und bemerkte mit vielsagendem Blick: »Höre, Hazel, ich weiß, du hast unten in deinem Sack etwa ein Dutzend Tafelschnecken. Wenn uns ein Strandwächter anhält, dann sagst du sicher: das sind meine, die gehen auf meinen Erlaubnisschein, für Laboratoriumszwecke, nicht wahr?«
»Jajaja - verflucht noch eins!« stotterte Hazel.
»Sieh«, erklärte Doc liebevoll, »es könnte ja sein, ich bekomme wirklich eine Bestellung auf Abalonen, und nachher denkt der Strandwächter womöglich, ich esse sie und mißbrauche meine Erlaubnis.«
»Ja, Donnerwetter!«
»Es ist dieselbe Geschichte wie mit der Alkoholkontrolle. Die sind von einem Mißtrauen, die Leute! Denken immer, ich trinke den Alkohol.«
»Trinkst du ihn nicht?«
»Selten«, gestand Doc, »weißt du, das Zeug, das sie hineintun, schmeckt abscheulich; es macht eine Mordsarbeit, es herauszudestillieren.«
»Mir und Mack schmeckt's ganz gut, wir haben es neulich probiert. Was tun sie denn 'rein?«
Fast wäre Doc auf Hazels Trick wieder hereingefallen, merkte es aber noch rechtzeitig, schulterte seinen Sack Seesterne und ging voran. Die illegalen Abalonen in Hazels Sack hatte er bereits vergessen. Hazel folgte ihm, bis sie aus dem Bereich des Nassen wieder auf trockenen Boden gelangten. Vor ihren Füßen hastete das erschreckte Krabbenvolk in eiliger Flucht. Es schien Hazel nötig, ihn noch mehr von den Abalonen abzulenken: »Der Dings, der Maler war wieder im Palace«, druckste er hervor.
»Ja?« sagte Doc.
»Ja-ah«, echote Hazel, »er hat doch all unsre Bilder gemalt, mit Hühnerfedern, und jetzt hat er gesagt, er muß sie alle miteinander nochmals malen, er hat gesagt, er hat eine andere Tech - Teeschnik.«
Doc lachte. »Baut er nicht mehr an seinem Boot?«
»Doch. Da hat er auch wieder alles geändert. Das gibt ein ganz anderes Boot. Du, Doc - spinnt er?«
Der Angeredete ließ seinen schweren Sack Seesterne zu Boden gleiten und holte tief Atem. »Ob er spinnt...? Ich glaube, nicht mehr als wir alle... halt bloß in einer anderen Technik.«
Das war für Hazel zuviel. Er sah sich selbst als Inbegriff reinster Vernunft und war beleidigt. Er fühlte sich unverstanden.
»Aber das Boot«, grollte er aufgeregt, »das baut er schon sieben Jahre lang, und die Klötze sind unten drunter schon weggefault, die macht er jetzt aus Zement. Jedesmal, wenn er fast fertig ist, ändert er wieder um und fängt von vorne an. Ich glaub', der spinnt. Sieben Jahre an einem Boot!«
Doc hatte sich auf den Boden gesetzt und
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