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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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fressen alles, was sie nur finden. Die Luft ist geschwängert von scharfem Jodgeruch, der aus Algen und Seetang strömt, von Kalkstaub verfallener toter Gehäuse und den Dünsten des ewigen Wandelns und Werdens aus Ova und Sperma. Samen und Eier sondern die Seesterne zwischen den Armen aus. Die Luft ist schwer von Gerüchen der Üppigkeit, vom Verdauen und Sterben, von Fäulnis, Verfall und Geburt. Salzschaum sprüht über die Böschung, dahinter der Ozean der kommenden Flut harrt, die ihm wiederum Einlaß zum Großen Ebbetümpel verschafft.
Und auf der Klippe brummt die Signalboje wie eine geduldige traurige Kuh.
Im Tümpel arbeiten Doc und Hazel zusammen. Hazel wohnt im Palace Hotel mit Mack und den Jungens. Seinen Namen erhielt er ebenso zufällig, wie er sein Dasein empfangen hatte und es bis heute verlaufen war. Seine geplagte Mutter hatte in acht Jahren sieben Kinder geboren und war, als er zur Welt kam, etwas durcheinander. Sie hatte die sieben anderen mitsamt dem Vater zu füttern und zu bekleiden; sie hatte alles mögliche versucht, um Geld zu verdienen - Papierblumen und Pilz- und Kaninchenzucht -, wobei ihr Mann von seinem Liegestuhl aus ihr mit weisen Ratschlägen und beißender Kritik hilfreich zur Seite stand. Hazel war der Name einer Großtante, und man munkelte, die Alte sei im Besitz einer Lebensversicherungspolice. Ihr zu Gefallen wurde das Neugeborene Hazel genannt, und als es der Wöchnerin endlich in den Sinn kam, daß Hazel ein Knabe sei, hatte sie sich schon so an den Namen gewöhnt, daß sie sich auf eine Änderung nicht mehr einlassen wollte.
Hazel wuchs heran, besuchte vier Jahre lang die Grundschule und vier Jahre eine Hilfsschule und lernte in beiden nichts. In Hilfsschulen lernt man, so heißt es, Verbrechen und Laster. Aber da Hazel beim Unterricht nicht aufpaßte, hatte er beim Verlassen der Hilfsschule so wenig Ahnung von Lasterhaftigkeit und Verbrechertum wie von Bruchrechnung und Regeldetri.
Hazel hatte eine besondere Vorliebe für Konversation - nicht etwa für deren Inhalt; er liebte vielmehr das Plätschern der Worte und stellte Fragen, nicht der Antwort wegen, sondern nur, damit es weiterplätscherte. Er war freundlich, willig, kräftig, ehrlich, brünett und sechsundzwanzig Jahre alt. Er ging gern mit Doc sammeln und eignete sich gut dazu, sobald er erst einmal verstanden hatte, worauf es dabei ankam. Dann konnten seine zehn Finger umherkriechen wie der achtfüßige Polyp und Krebse haschen und halten wie eine Meeranemone. Sein Fuß sprang sicher über den schlüpfrigen Boden; er liebte die Jagd. Während Doc zur Arbeit den Lederhut trug und hohe Gummistiefel anlegte, trabte Hazel barhäuptig, in Tennisschuhen und Jeans herum.
Sie sammelten Seesterne. Doc hatte eine Bestellung auf dreihundert Stück. Hazel las ein schönes purpurnes vom Boden des Tümpels auf und setzte es in seinen fast vollen Jutesack. »Wenn ich nur wüßte, was sie damit tun!« bemerkte er.
»Tun? Womit?« fragte Doc.
»Mit den Seesternen. Du verkaufst sie. Du schickst ein Faß voll weg. Ja. Aber was tun die Kerle damit; sie können sie doch nicht essen?«
»Sie studieren daran«, antwortete Doc mit Engelsgeduld. Hazel hatte ihm die gleiche Frage schon mindestens zehnmal gestellt, aber Doc war von Natur unfähig, eine Frage nicht zu beantworten. Er nahm selbstverständlich an, Hazel wolle eine genaue Antwort auf seine Frage. Ein menschliches Hirn, das nicht nach Wissen verlangt und trotzdem Fragen stellt, war ihm unfaßbar. Hazel wollte aber gar nicht wissen, er wollte bloß reden hören und hatte daher das System, jede Antwort zur Grundlage einer neuen Frage zu machen. So blieb die Konversation im Gang.
»Was studieren sie dran?« fragte er weiter. »Es sind eben Seesterne. Ich kann hierherum eine Million davon fangen, es sind immer die gleichen.«
»Es sind bemerkenswert komplizierte Geschöpfe«, verteidigte Doc seine Ware, »übrigens gehen diese hier in den Mittleren Westen, zur Nordwest-Universität.«
Hazel gebrauchte seinen Trick. »Gibt es da keine Seesterne?«
»Da ist kein Meer«, antwortete Doc.
»Oh!« machte Hazel und suchte verzweifelt nach einem Haken, an den er die nächste Frage anhängen könnte; es war ihm schrecklich, wenn ein Gespräch versickerte.
Während er krampfhaft nach einer Fragemöglichkeit Umschau hielt, denn er war ein langsamer Denker, stellte plötzlich Doc eine Frage. Das paßte Hazel gar nicht; denn dann mußte er in seinem Hirnkasten nach einer Antwort herumstöbern, und

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