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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Schlacht von Auaris aufleben ließen, genoss er das schallende Gelächter und die freimütige Unterhaltung. Er war sich bewusst, dass seine Frau allein oben über ihnen saß und vor sich hin brütete, doch zum ersten Mal seit sie Mann und Frau waren, hatte er keine Eile, zu ihr zu gehen. Er überlegte, ob die neue Schwangerschaft noch mehr auf ihre Stimmung drückte. Natürlich freute er sich, dass wieder ein Kind geboren werden sollte, aber noch mehr fürchtete er sich vor der Angst, die mit seinem Heranwachsen verbunden war.
    Er war heimlich in den Tempel gegangen, um die Zukunft auslegen zu lassen, hatte in respektvoller Entfernung von dem jungen Priester mit der Sehergabe gestanden, während sich der Mann über den Ölfilm auf dem Wasser in der Seherschale beugte, und hatte mit angehaltenem Atem auf die Auslegung der Vision gewartet. Sein Herz hatte vor Angst ausgesetzt, als die Zeremonie beendet war und er am Kopfschütteln des Priesters die Niederlage ablesen konnte. »Hole dir auch eine Auslegung von Amuns Orakel, Majestät«, hatte dieser gesagt. »Das Öl zeigt nicht immer genau, was sein wird, aber die Stimme des Gottes ist unfehlbar.«
    »Ist es Krankheit oder Tod?«, hatte Ahmose gekrächzt.
    »Beides, Krankheit und Tod für das Kind«, hatte die schonungslose Antwort gelautet, und Ahmose hatte den dunklen Raum verlassen, war in seine Sänfte gestiegen und hatte sich nach Haus tragen lassen. Seine Hoffnung war zunichte. Bis jetzt hatte er es einfach hingenommen, dass Kinder anfällig für Fieber und Krankheiten waren. Kinder starben so schnell. Doch jetzt fragte er sich, ob Aahmes-nofretaris Schoß krank war, etwas Unsichtbares, aber Tödliches für die Kinder, die sie gebar. Diese Möglichkeit vergrößerte seine Angst nur noch.
    Dann kam ihm der Gedanke, dass ihm eine andere Frau vielleicht gesunde Nachkommen schenken könnte. Schließlich hatte er das Recht, sich andere Frauen zu nehmen. Sogar Nebenfrauen. Aber er konnte sich nicht richtig vorstellen, eine andere als Aahmes-nofretari zu lieben. Er wusste, er war die Art Mann, die nur mit einer Frau schlief und damit zufrieden war. Wie sich ihre Haut unter seinen Fingern anfühlte, der Duft ihres Leibes bei der Liebe, der Geschmack ihres Mundes unter seinem, alles bedeutete für ihn Geborgenheit und Erfüllung. Fremdes Fleisch würde diese wichtigen Dinge oder das gegenseitige Vertrauen und Verständnis niemals ersetzen können. Doch fremdes Fleisch konnte vielleicht künftige Könige und dazu Königinnen hervorbringen, die so lange lebten, dass sie das Alter der Vernunft erreichten. Entsetzt bemühte sich Ahmose, diese unguten Überlegungen beiseite zu schieben.
    Ahmose-onch hatte vergeblich versucht, Behek von seinem Posten wegzulocken. Er hatte aufgegeben, und als Achtoi ihn rief, kam er in den Schutz des Sonnensegels seiner Eltern gelaufen. Pa-sche gesellte sich nach einer Verbeugung in ihre Richtung etwas gemessener zu den anderen Dienstboten, deren Binsenmatten und Sonnensegel sich unmittelbar vor dem Hof des Grabmals befanden. »Ach, ist das heiß!«, rief Ahmose-onch und griff nach einem Krug Wasser. »Warum muss dieses Fest auch im Sommer sein?«
    »Weil man bei Winterhochwasser den Fluss nur schwer überqueren kann und im Frühling alle mit der Aussaat beschäftigt sind«, antwortete seine Mutter. »Es ist genau der richtige Zeitpunkt, dass man der Toten gedenkt.« Ahmose sah beifällig zu, wie der Junge, ehe sein Leibdiener ihm einen Teller mit Essen auf die Knie stellte, die Finger in die Wasserschale tauchte, ohne dass man es ihm sagen musste.
    »Pa-sche lehrt dich gute Manieren«, sagte er. Ahmose-onch nickte gemessen.
    »Mein Lehrer weiß alles«, verkündete er. »Vater, hast du gewusst, dass der mächtige Gott Thot dem Gott Ptah sechshundert heilige Symbole gegeben hat, damit der alles auf der Welt ins Leben sprechen konnte?«
    »Ja, natürlich«, sagte Ahmose ernst. »Und wir selbst verwenden sie für formelle Schreiben. Aber die lernst du doch gewiss noch nicht!«
    »Noch nicht.« Ahmose-onch zupfte ein Stück gebratene Ente vom Knochen und biss herzhaft hinein. »Ich übe die hieratische Schrift auf Tonscherben, die ich selbst in der Küche sammeln muss, sagt Pa-sche. Bislang kann ich erst zwölf Zeichen schreiben.«
    »Zwölf!«, rief Aahmes-nofretari. »Aber das ist sehr gut, Ahmose-onch. Zeigst du mir die bald einmal?«
    »Erst wenn ich alle kann«, sagte der und leckte das Salz von einer Gurkenscheibe, ehe er sie in den Mund

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