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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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herunterbrannte, und er war niedergeschlagen. Heute Abend nehme ich sie mit auf den Fluss, schwor er sich. Ich schlafe mit ihr auf dem Dach. Ich mache meinen Leib zu einem Instrument der Beruhigung für sie, wenn meine Zunge die Worte verweigert, die ich gern sagen möchte. Heute beginnen die Priester mit ihrer Überwachung des Nils, machen sich bereit, das Ansteigen des Wassers zu melden. Heute beginnt ein neues Jahr mit all seinen unbekannten Freuden und Leiden, und nur die Götter wissen, wie es enden wird, aber gewiss wird uns die Zuneigung, die Aahmes-nofretari und ich füreinander empfinden, Kraft geben, alles zu bewahren, sonst rinnt es davon wie Sand durch gespreizte Finger.
    Ägypten stieß einen Stoßseufzer aus, als das jährliche Hochwasser einsetzte. Die Ernte war wohlbehalten eingebracht, die entsprechenden Steuern waren festgesetzt worden, und Ahmose hatte sich allmählich mit der täglichen Abfolge von Beratungen, Audienzen und den kleinen Schwierigkeiten seines augenblicklichen Lebens angefreundet. Sobek-nachts Familie traf mit all ihrer Habe in Waset ein, ein Zeichen für Ahmose, dass sich der Fürst endgültig für ihn entschieden hatte. Ahmose ernannte ihn zum Obersten Baumeister und gab ihm ein Haus neben den Häusern der fremdländischen Gesandten, die allmählich einer nach dem anderen in die Stadt zogen. Und langsam freute sich Ahmose auch auf seine Stunde mit Sobek-nacht im alten Palast.
    Aahmes-nofretari nahm weiterhin an den morgendlichen Audienzen teil, doch nur wenig an den Beratungen, und ihr Schreiber war zwar zugegen, schrieb sich aber nichts auf. Ihre Schwangerschaft zeigte sich an einer gewissen zarten Rundung ihres Unterleibes und dem gesunden, strahlenden Aussehen ihrer Haut. Die meisten Nachmittage verbrachte sie in ihren eigenen Gemächern, kam ihren Pflichten als Zweiter Prophet Amuns im Tempel nach und besuchte gelegentlich die Kasernen der Leibwache, die noch immer unter dem Befehl von Emchu standen, danach ruhte sie im schattigen Garten.
    Weder sie noch Ahmose sahen viel von Ahmose-onch. Er und Pa-sche bildeten jetzt eine Streitmacht aus zwei Menschen. Pa-sche begleitete seinen Schützling auf den Exerzierplatz, wo der Junge lernte, mit seinem winzigen Bogen und einem kleinen Schwert umzugehen. Sie fuhren zusammen in die Sümpfe, damit Ahmose-onch seinen Wurfstock nach quakenden Enten werfen konnte. Und Ahmose-onch hing an der Hand seines Lehrers, wenn dieser seinen eigenen Geschäften nachging. Bei einem wöchentlichen Bericht hatte Ahmose zu Pa-sche gesagt, dass ein Lehrer außerhalb der Schulstunden nicht für seinen Schüler verantwortlich sei, aber Pa-sche hatte Einwände erhoben. »Bisweilen werden die wertvollsten Lektionen außerhalb der Schulstunden erteilt, wenn die formale Ausbildung beendet ist, Majestät«, hatte er klargestellt. »Die Gelegenheit, gute Manieren, Ehrlichkeit und Güte einzuflößen, wie es die Maat von einem Kind verlangt, ergibt sich beim Diktatschreiben oder Rechnen nicht gerade häufig. Wenn ich allein sein möchte, lasse ich Raa holen, und sie übernimmt den Prinzen. So einfach ist das.«
    »Raa wird ganz fett vor lauter Müßiggang«, sagt Ahmose grinsend. »Und dein Prinz geht uns mit seinem halb verdauten Wissen auf den Geist. Friede!« Er hielt die Hand hoch, um Pa-sches entrüstetem Aufschrei zuvorzukommen. »Ich bin sehr damit zufrieden, wie du dich um den Falken-im-Nest kümmerst. Pass auf, dass du dich in deinem Bemühen nicht erschöpfst.«
    Vor einer Aufgabe hatte sich Ahmose besonders gefürchtet, nämlich jedem Statthalter der vielen Nomarchen, die er mittlerweile kontrollierte, einen zweiten Mann zuzuordnen, der ihm verlässliche Berichte über den Zustand der Nomarche schickte. Vor geraumer Zeit hatte er Aahmes-nofretari gebeten, eine Liste von geeigneten Spionen aufzustellen, denn trotz ihrer gehobenen Stellung als Stellvertreter waren sie dennoch Spione. Aber angesehen hatte er sich die Liste nicht. Jetzt bat er sie darum, teilweise weil es seine Pflicht war, aber hauptsächlich, weil er mit ihr sprechen wollte. Sie kam eines Spätnachmittags mit Chunes in sein Arbeitszimmer, und als Geste des Vertrauens schickte Ahmose Ipi fort. Als Chunes zu ihren Füßen Platz nahm, reichte er ihr einen großen Stapel Papyri hoch. Ahmose sank der Mut. »Es sind nur zweiundzwanzig Nomarchen«, sagte er. »Gewiss braucht dein Schreiber zum Aufschreiben nicht so viele Papyri!« Sie lächelte hochfahrend.
    »Natürlich nicht«, gab sie zurück.

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