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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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morgendlicher Übelkeit litt, waren die Stunden der sanften Dunkelheit besonders willkommen. Bei Sonnenuntergang ging sie stets ins Badehaus und ließ sich den Schweiß und die Müdigkeit des Tages abwaschen, dann kleidete sie sich in eine lose Tunika und ging aufs Dach des Hauses, wo Senehat Läufer und Polster ausgebreitet und Lampen aufgestellt hatte, deren Flamme in den dünnen Alabastergefäßen vor dem Dunkel golden leuchtete. Aber Aahmes-nofretari war einsam. Ihr fehlten die anderen Frauen des Hauses, ihre Mutter und Großmutter, die in anderen Sommern oben bei ihr gewesen waren und mit denen sie die Zeit bei ungezwungenem weiblichem Geplauder verbracht hatte.
    Aahotep hatte Rollen geschickt, Tetischeri nur wenige. Die beiden waren sowohl in Esna als auch in Pi-Hathor gut aufgenommen worden und hatten in jeder Stadt ein paar Tage verweilt, aber keine von beiden hatte den Aufenthalt dort genossen. Tetischeri beschwerte sich, dass die Dienstboten im Haus des Bürgermeisters schlampig und unfähig seien und das gemeine Volk nachlässig in seiner Huldigung, wenn sie sich vor die Tür wagte. Sie erinnerte Aahmes-nofretari daran, dass Osiris’ Penis in Esna von einem Fisch verschluckt worden war, »und daher darf hier niemand Fisch essen, auch deine Mutter und ich nicht«, äußerte sie sich giftig in ihrem Brief. »Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, der Fisch hätte den Penis des Gottes anschwemmen lassen und an seiner Stelle die Stadt verspeist.«
    Aahotep jedoch schrieb von einer gewissen unterschwelligen Unruhe an beiden Orten. Sie hatte sich kurz mit den Spionen unterhalten, und die hatten ihr von baufälligen Anlegern und Warenhäusern und von aufgegebenen Anwesen berichtet, deren Besitzer einst unter den Setius reich geworden waren, von einer überall spürbaren Unsicherheit sowohl in Esna als auch in Pi-Hathor. »Diese Städte haben das Vorrecht gehabt, Schiffe für die Eindringlinge zu bauen, auszustatten und auszubessern«, hatte Aahotep geschrieben. »Diese Einnahmequelle ist versiegt und jetzt in Necheb. Eine andere Einnahmequelle war der Handelsweg von und nach Kusch. Die Städte liegen auf halbem Weg zwischen Auaris und Kusch. Aber da Waset nur dreiundzwanzig Meilen stromab zum Herzen Ägyptens geworden ist, bietet ihre Lage ihnen keine Vorteile mehr. Ihnen bleibt nur noch der Steinbruch in der Nähe von Pi-Hathor, und da Ahmose noch nicht begonnen hat, große Denkmäler zu errichten, sind die Steinbrecher arbeitslos und hungern.«
    Aahmes-nofretari hatte Ahmose diese Briefe gezeigt, und er hatte sie gelesen und geknurrt. »Kamose hat ihnen auch nicht getraut«, hatte er gemeint. »Aber sie können nichts ausrichten, Aahmes-nofretari, so wie sie zwischen Waset und Necheb eingeklemmt sind. Ihnen bleibt nichts, als ihr Schicksal anzunehmen. Ich kann doch die Kalksteinbrecher nicht einstellen, nur damit sie Brot und Zwiebeln haben, obwohl sie mir Leid tun, und die Schiffbauer in Necheb unter Paheri und den Abanas sind nun einmal verlässlicher als die verbliebenen Setius in Pi-Hathor. Wenigstens hat Kamose ihre Häuser nicht dem Erdboden gleichgemacht wie in Daschlut.« Er hatte sie flüchtig aufs Kinn geküsst. »Du und Mutter und eure Spione!«, hatte er stillvergnügt gesagt.
    Aahmes-nofretari war entrüstet über die unausgesprochene Andeutung, sie und Aahotep hätten ihren Spaß daran gehabt, ihr Netz aufzubauen, doch sie hatte ihm nicht widersprochen. Als wir ihm zuerst davon erzählt haben, hat er das durchaus nicht abfällig gesehen, sondern war dankbar für jede Zusicherung von Schutz, wie undurchsichtig auch immer. Ich werde die Sache nicht mehr mit ihm bereden.
    Bisweilen gesellte sich Ahmose auf dem Dach zu ihr, streckte sich auf den Polstern aus, und dann unterhielten sie sich ruhig oder spielten Brettspiele oder benannten abwechselnd die Sternbilder über ihren Köpfen, aber weitaus öfter saß er lieber im dunklen Garten und trank Bier mit Turi, Kagemni, Hor-Aha und anderen.
    Und Aahmes-nofretari, die hoch über Hunderten von winzigen Lichtern auf anderen bewohnten Dächern in der Stadt saß, lauschte dem schallenden Gelächter der Männer, das vom Rasen hochwehte, und kam sich verlassen vor. Die Ernte hat begonnen, dachte sie bedrückt. Das Getreide fällt unter den Sicheln der Mäher, und die Luft ist voll Staub von den Tennen. In den Weingärten singen Männer und Frauen beim Traubentreten, und der Honig aus den Waben wird wie dickflüssiger Sonnenschein in Krüge gefüllt.

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