Die Strasse des Horus
die geschminkte Wange. Sie duftete nach Muskat und Lotosöl.
»Aahmes-nofretari, wie bist du doch schön!«, sagte er unvermittelt. Sie lächelte entzückt und kniff die mit Kohl umrandeten Augen vor der gleißenden Sonne zusammen.
»Natürlich bin ich das«, neckte sie ihn. »Schließlich bin ich fast eine Göttin, oder? Ahmose, dieses Dorf, das ich für die Soldaten bauen soll – das braucht einen Kanal zum Fluss, damit man es nötigenfalls schnell verlassen kann. Es kann nicht neben die vorhandenen Kasernen kommen. Die sind schon unmittelbar hinter dem Haus. Und auf die andere Seite der Stadt sollte es auch nicht. Dort ist es zur Überwachung zu weit entfernt. Wohin soll es also?« Er überlegte ein Weilchen, hatte den Arm um ihre schmale Mitte gelegt, und sein Blick ruhte auf dem allmählich nachlassenden Chaos auf dem Fluss.
»Errichte es im Süden«, sagte er schließlich. »Dort ist der Streifen Ackerland zwischen Nil und Wüste schmal, also wird der Kanal kurz. Die Soldaten können ihn zum Bewässern der bereits vorhandenen Felder nutzen. Und wenn sie nicht kämpfen oder üben, können sie sich ihre Nahrung selbst anbauen.«
»Die Felder sind ohnedies deine«, antwortete sie. »Die gehören nicht zu den Aruren, die Kamose den Männern, die die Binsenboote gebaut haben, als künftige Bezahlung versprochen hat, also muss ich keine Bauern aus ihren Hütten vertreiben. Ist es dir einerlei, welchen Baumeister ich für die Arbeit einstelle?«
»Ja«, erwiderte er. »Du hast eine gute Menschenkenntnis. Hol dir jemanden von anderswo, falls es in Waset keinen geeigneten Baumeister gibt. Amunmose wird einen erfahrenen Mann empfehlen.« Da schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. »Wenn du einen passenden gefunden hast, führ ihn in den alten Palast«, sagte er leise zu ihr. »Bitte ihn, Pläne für seine Wiederherstellung zu zeichnen.« Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.
»Das alles hast du schon seit Jahren geplant gehabt, mein lieber Mann?«, murmelte sie. »Apophis’ Niederlage, neues Leben im alten Palast, Waset als Mittelpunkt der Welt und Amun als mächtigster Gott. Was ist, wenn Kamose am Leben geblieben wäre?« Flüchtig verzog er das Gesicht.
»Kamose hatte die gleiche Zukunftsvision«, sagte er still. »Darin waren wir uns einig. Aber mir war schon lange vor dem rätselhaften Orakel klar, dass Kamose nicht auf dem Horusthron sitzen würde. Er hat es auch gewusst. Erinnerst du dich noch an den Falken, Aahmes-nofretari? Von da an habe ich mir überlegt, was ich tue, wenn ich an die Macht komme.« Er verzog den Mund. »Missverstehe mich nicht«, fuhr er fort, und die Stimme brach ihm. »Ich habe meinen Bruder geliebt. Ich habe mit keinem Gedanken an Verrat gedacht. Es war schmerzlich, ja, furchtbar, sich auf seinen Tod gefasst zu machen, aber ich habe es getan. In diesem Jahr gibt es wieder eine Belagerung, die erfolglos sein wird, aber damit halte ich Apophis in Auaris fest, und während er ohnmächtig zusieht, säubere ich den Rest des Deltas von Soldaten aus Rethennu. Im nächsten Jahr besiege ich ihn. Erzähl Mutter und vor allem Großmutter nichts davon«, sagte er. Als er sich umdrehte, stand Hor-Aha direkt hinter ihm.
»Die Männer sind alle an Bord, und die Fußsoldaten stehen in Marschordnung«, sagte er. »Wir müssen los.«
»Amun selbst kommt und segnet uns«, erinnerte ihn Ahmose. »Wir warten noch ein wenig.«
Bei seinen Worten hörte man Gesang. Plötzlich herrschte Schweigen ringsum und auf den Schiffen. Der Zug kam in Sicht, an der Spitze die Musikanten mit ihren Fingerzimbeln und Trommeln, dann die Sängerinnen. Amunmose hinter ihnen war umringt von seinen weihrauchumwölkten Tempeldienern. Auf den breiten Schultern von acht Priestern kam eine völlig zugezogene, prächtig geputzte Sänfte herangeschwankt und wurde ehrerbietig auf den Steinen abgesetzt.
Amunmose trat zu ihr und zog die Vorhänge auf, und sofort fiel alles anbetend auf die Knie. Ahmose staunte, denn Aahmes-nofretari stand sofort auf, ging zu der Sänfte, verbeugte sich vor dem goldenen Abbild darin und wandte sich dann an die bäuchlings Liegenden. »Höre, o König, die Worte des Größten der Großen aus dem Mund seines Zweiten Propheten«, rief sie mit klarer und stolzer Stimme. »So spricht Amun, der Herr Wasets. ›O mein Sohn Nebpehtira Ahmose, Herrscher der Zwei Länder, ich bin dein Vater. Ich erfülle die Herzen der nördlichen Fremdländer mit Schrecken selbst bis nach Auaris, und die Setius sind ein
Weitere Kostenlose Bücher