Die Strasse des Horus
Fleck unter meinem Fuß.‹« Sie verstummte, verneigte sich und zog sich zurück.
»Wann hast du dieses Orakel erhalten?«, flüsterte ihr Ahmose ins Ohr, und sie lächelte.
»Das hat mir Amunmose heute früh geschickt. Sei still, Ahmose. Er will jetzt die Truppen segnen.« Auf einmal fühlte sich Ahmose unendlich wohl. Alles würde gut werden.
Doch er musste sich wieder einmal von seiner Familie losreißen, das Haus verlassen, das sich unter die Bäume schmiegte, den Tempel und die Stadt selbst, dann die breite Flussbiegung, alles würde nicht mehr zu sehen sein, doch es tat nicht mehr so weh und machte nicht so viel Angst wie bei früheren Aufbrüchen mit Kamose. Der Fall von Auaris war gewiss. Im nächsten Jahr oder im Jahr danach würde Ägypten wieder vereint sein. Es war lediglich eine Sache der Zeit.
Das Schiff glitt fort, und da spürte er Kamoses Anwesenheit so stark, dass er zusammenfuhr, als ein Schwarm Enten, die sich in den Binsen versteckt hatten, schnatternd aufstob, und schon wich der Bann. Trotzdem, dachte er, du siehst uns, Kamose, ja? Dein leidenschaftlicher Freiheitsdrang macht, dass du zusiehst, dein Ka zieht unsichtbar mit uns nach Norden. Ach, du fehlst mir so sehr! Ich habe gar nicht gemerkt, wie bequem mein Platz in deinem Schatten war, während die letzte Verantwortung und Befehlsgewalt bei dir lag. Jetzt bin ich an der Reihe, und ich bin nackt und bloß unter dieser Bürde. »Dieses Jahr haben wir nicht viel Zeit im Delta, Majestät.« Turis Worte störten Ahmoses Gedankengänge. »Das wird ein öder, heißer Marsch für die Fußsoldaten. Vor Mitte Epiphi erreichen die das Delta nicht. Daher bleibt uns kaum mehr als der Mesore zum Belagern und zur Heimkehr, ehe das Hochwasser einsetzt.« Ahmose betrachtete seinen Kindheitsfreund. Turi verzog die kantigen, etwas unregelmäßigen Züge unter dem Rand seines blauweißen Leinentuchs, und seine dunklen Augen richteten sich nachdenklich auf das vorbeigleitende, üppig grüne Ufer.
»Stimmt«, sagte Ahmose. »Aber es ist an der Zeit, die Taktik zu ändern, Turi.« Er blickte zu einem Himmel hoch, der vor Hitze weiß wirkte. »Kommt in die Kabine, alle miteinander. Ich will euch sagen, was ich vorhabe, und danach brauche ich euren Rat.« Sie zogen sich in die vergleichsweise kühle Kabine zurück, und als sie wieder herauskamen, ging die Sonne unter.
Ehe er schlafen ging, blickte Ahmose zu dem leeren Feldbett, auf dem Kamose gelegen hatte. Ohne dich bin ich noch immer verloren, Kamose, sagte Ahmose leise ins Dunkel gerichtet. Wenn ich wie jetzt untätig oder wehrlos in der seltsamen Welt zwischen Wachen und Schlafen weile, bin ich noch immer verzweifelt und muss dagegen ankämpfen, sonst fehlt mir die Kraft. Vater, Si-Amun und jetzt du, alle tot, und ich bin allein. Welche Befriedigung bietet der Sieg noch inmitten von so viel Vernichtung? Selbst wenn Aahmes-nofretari mir ein Dutzend männliche Taos schenkt, die das Haus mit ihrer männlichen Gegenwart bevölkern, es wird nie wieder wie früher sein. Die Vergangenheit ist ein zusammengerollter Papyrus, versiegelt und an einem geheimen Ort verwahrt.
Auf einmal ärgerte er sich über sein Selbstmitleid, legte sich hin, schloss die Augen und stellte sich bewusst seine Frau vor, wie sie an diesem Morgen ausgesehen, was sie gesagt hatte, doch hinter ihrem Bild war nur graue Trübsal, und er fand keine Ruhe.
Sie kamen nur langsam voran, und als sie in Badari, mitten in Fürst Iasens Ländereien anlegten, dachte Ahmose beim Anblick der sich drängenden Soldaten am Ufer, wie gut, dass Kamose diesen Bauern in den Monaten des Feldzugs das Kämpfen beigebracht hat.
Er war zu Iasens Anwesen gegangen und hatte dessen ältesten Sohn als Fürst bestätigt, hatte jedoch klargestellt, dass ein Berater, den er noch erst ernennen musste, ihm über alles berichten würde, was der junge Edelmann unternahm. Er ließ den Fürsten und den Rest der Familie den gleichen Treueid schwören, den er den in Amuns Tempel Versammelten abgenommen hatte. Er erklärte dem Fürsten, dass die neu geschaffene Chonsu-Division unter General Iymeri in Badari einquartiert würde und dass der General bedingungslose Zusammenarbeit und Achtung verlangen könne. »Aber, Majestät«, hatte der junge Mann eingewendet, »Iymeri war nichts als ein Helfer beim Viehaufseher meines Vaters, ehe dein Bruder ihn eingezogen hat! Diese Division sollte ich befehligen! Ich habe dir jetzt den Treueid geschworen und bin gekränkt, dass du mir nicht
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