Die Straße nach Eden - The Other Eden
unzertrennliche Einheit, die letztendlich alle anderen Menschen ausschloss. Ihre Liebe zueinander war stärker, als die Liebe zu einem Mann je hätte sein können.«
Er brach ab, hob den Kopf und starrte zu dem dunklen Himmel hinter der offenen Balkontür empor. Endlich fuhr er fort: »Ich habe dir gesagt, dass sich Elizabeth ihre Beteiligung an dem Rollentausch nie verziehen hat, doch was sie quälte, ging über bloße Schuldgefühle weit hinaus. Es veränderte sie. Ich wurde mit dieser Veränderung nicht fertig, und sie verübelte es mir, das ich kein Verständnis für sie aufbrachte. Dann kamst du, und für mich blieben überhaupt keine ihrer Gefühle mehr übrig.« Er stieß vernehmlich den Atem aus. »Es gibt nichts Unerträglicheres und Belastenderes als eine Ehe, in der sich Liebe in Verbitterung verwandelt hat. Also trennten wir uns, im gegenseitigen Einvernehmen, wie es so schön heißt. Ich kehrte nach Russland zurück. Den Rest kennst du.«
Innerhalb der letzten Minuten hatte ich mir neben zahlreichen bedeutungsschwangeren auch immer wieder eine ganz banale Frage gestellt. »Wie lautet eigentlich dein richtiger Name?«
»Rostow. Als ich das erste Mal nach Amerika einreiste, konnte der Beamte der Einwanderungsbehörde ihn nicht buchstabieren und änderte ihn in Rose. Beim zweiten Mal nahm ich absichtlich einen anderen Namen an. Ich wollte meine Spuren verwischen.«
Ein paar Minuten lang hingen wir schweigend unseren Gedanken nach. Endlich sprach Alexander weiter.
»Was du nicht weißt und nicht wissen konntest, ist, dass du mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen bist; du hast mich regelrecht verfolgt, als wärst du zu meinem Gewissen geworden. Ich träumte von dir, in meinen Träumen wuchst du zu einer Frau heran, die ebenso schön wie Elizabeth, aber willensstärker und in sich gefestigter war. Mein Leben wurde immer hohler und leerer. Wieder und wieder grübelte ich über die Vergangenheit nach und fragte mich, ob ich nicht doch falsch gehandelt hatte. Dann tratest du
an jenem Konzertabend in Boston wieder in mein Leben, und ich wertete das als eine zweite Chance, die das Schicksal mir gewährte.«
Seine zu einem nahezu unhörbaren Flüstern gedämpfte Stimme und die stockende Sprechweise verrieten mir, dass er in diesem Moment sein Innerstes vor mir bloßlegte. Obwohl mich das Doppelspiel, das er mit mir gespielt hatte, noch immer abstieß, rührte mich seine plötzliche Verletzlichkeit zutiefst, und ich begann mich zu fragen, ob ich wirklich das Recht hatte, ihn zu verurteilen. Seine Liebe mochte einem Dickicht aus Lügen, Halbwahrheiten und Gewissensbissen gleichen, aber sie war auch der Grund für alles, was er getan hatte. Er hatte nicht aus Berechnung oder Grausamkeit gehandelt, und daher begann ich in diesem Augenblick, ihm zu verzeihen.
»Ich habe dich auf Anhieb erkannt«, hörte ich ihn sagen, als ich seine Wort wieder bewusst wahrnahm. »Nach diesem Abend setzte ich alles daran, dich zu finden. Als Martha Kelly mir das Cottage vermittelte, verstärkte das meine Überzeugung, dass sich unsere Wege aus einem ganz bestimmten Grund von Neuem gekreuzt hatten. Als ich dich dann traf, war ich mir ganz sicher. Schließlich tauchte Louis auf, und ich begriff, dass uns noch ein zweiter Grund wieder zusammengeführt hatte. Ich musste dich vor ihm retten«, sagte er, ehe ich die Frage laut aussprechen konnte. »Beim ersten Mal hatte ich ja schmählich versagt, verstehst du?«
Doch ich hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, denn ich sah plötzlich die furchterfüllten, anklagenden Augen meiner Großmutter vor mir, so wie sie mich auf Eves überbelichtetem Foto angeblickt hatten.
Endlich begriff ich, was ich schon längst hätte sehen müssen. Claudine Fairfax hätte ihre Tochter nie so angesehen wie denjenigen, der dieses Bild aufgenommen hatte. Ich
war immer davon ausgegangen, dass sie sich der Entscheidung meines Großvaters, Elizabeth mit Louis zu verheiraten, widerstandslos gefügt hatte, aber was, wenn dem nicht so gewesen war? Wenn sie mit dieser Heirat ganz und gar nicht einverstanden gewesen war und überdies noch einigen Einfluss auf ihren Mann ausgeübt hatte, dann hatte sie zum Schweigen gebracht werden müssen, bevor die Hochzeit stattfinden konnte. Bedeckt ihr Antlitz, raunte mir eine innere Stimme zu, vor meinen Augen flimmert es…
»Zwischen Taschas Krankheit und der meiner Großmutter besteht ein Zusammenhang«, entfuhr es mir. »Und jetzt auch zu meiner.«
»Eleanor…«
»Nein,
Weitere Kostenlose Bücher