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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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hierbleiben, und wenn dieser Arzt mich aufhalten will … nun, ich denke, es gibt da viele seiner Kollegen, die sich von mir kaufen lassen würden.« Ohne auf eine Antwort zu warten wandte ich mich ab und ging nach oben.
    Die durch die offene Tür wehende Brise strich über mein Gesicht und milderte meinen Ärger ein wenig. Über den
Kronen der Eichen ging gerade der volle Mond auf, sein bleiches Antlitz stimmte mich auf eine unerklärliche Weise traurig. Trotz der Wärme der Nacht begann ich zu frösteln, kehrte dem Fenster den Rücken zu, zog mein Kleid aus, schlüpfte in meinen roten Morgenrock und knöpfte ihn bis zum Hals zu. Der weiche Stoff fühlte sich vertraut und tröstlich auf meiner Haut an.
    Obwohl ich letzte Nacht kaum geschlafen hatte, war ich hellwach. Ein paar Minuten ging ich rastlos im Raum auf und ab, dann setzte ich mich vor meine Frisierkommode, wühlte in der untersten Schublade herum und förderte das Päckchen Tabak und die Blättchen zu Tage, die ich vor Monaten dort versteckt hatte. Ich hatte mir das Rauchen nie richtig angewöhnt und es komplett aufgegeben, als ich nach Eden gezogen war, weil Mary eine überzeugte Nichtraucherin war, aber jetzt gierte ich nach der beruhigenden Wirkung des Nikotins. Ich drehte mir eine Zigarette, zündete sie an und inhalierte tief.
    Doch bald nahm ich mein nervöses Auf- und Abschreiten wieder auf, weil meine innere Unrast wuchs. Erst als ich Mary unten im Korridor Colette etwas zurufen hörte, wurde mir bewusst, dass sie meinen Schritten gelauscht haben musste. Ich zog einen Sessel auf die Galerie hinaus und drehte mir im fahlen Mondlicht eine weitere Zigarette.
    Ich vermisste Alexander mit einer Intensität, die in Panik umzuschlagen drohte. Ohne ihn an meiner Seite würde ich heute Nacht kein Auge zutun, das wusste ich. Mein Zorn auf Mary wallte von Neuem auf. Schließlich war Eden mein Haus, sie hatte kein Recht, mich hier gefangen zu halten. Einen Moment später nahm ich all meinen Mut zusammen, drückte meine dritte Zigarette aus und öffnete die Tür.
    Mary saß auf dem Treppenabsatz auf einem Stuhl und
strickte. Es dauerte einen Augenblick, bis ich meiner Überraschung Herr wurde und sie scharf fragen konnte, was sie dort zu suchen hatte.
    »Ich dachte mir schon, dass du versuchen würdest, dich davonzuschleichen.« Ihrem Lächeln haftete eine Spur Selbstgefälligkeit an.
    »Ich bin kein kleines Kind mehr, Mary. Ich kann kommen und gehen, wann ich will.«
    »Leider kann ich dich nicht gehen lassen, Eleanor.«
    »Um Himmels willen, Mary! Wie oft muss ich dir denn noch sagen, dass mit meinem Verstand alles in Ordnung ist?«
    »Ich weiß, ich weiß«, beschwichtigte sie mich hastig. »Aber du hattest gestern einen anstrengenden Tag - du brauchst Zeit, um dich zu erholen.«
    »Mich von Alexander fernzuhalten trägt aber nicht gerade zu meiner Erholung bei.«
    »Er hätte ja bleiben können, wenn ihm so viel daran gelegen hätte.«
    Die versteckte Andeutung in ihren Worten war nicht misszuverstehen. Ich versuchte mich an ihr vorbeizudrängen, aber ihre Finger schlossen sich mit erstaunlicher Kraft um mein Handgelenk.
    »Ich kann dich nicht gehen lassen«, wiederholte sie, ohne mir in die Augen zu sehen. Ich wusste, dass sie mich notfalls mit Gewalt in mein Zimmer zurückzerren würde, und da ich in den letzten Tagen kaum etwas gegessen und so gut wie gar nicht geschlafen hatte, könnte ich ihr schwerlich lange Widerstand leisten.
    Ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden, machte ich mich unsanft von ihr los und wandte mich ab, um in mein Zimmer zurückzugehen, doch sie folgte mir beharrlich. »Du brauchst mich nicht wie eine Gefängniswärterin zu bewachen«, schleuderte ich ihr bitter entgegen, dabei
verwünschte ich den Tag, an dem ich sie gebeten hatte, mich nach Eden zu begleiten.
    Sie musterte die offene Glastür und den Sessel auf der Galerie. Ihre Augen flackerten auf. »Vielleicht solltest du jetzt deine Medizin einnehmen«, sagte sie.
    »Hat das Zeug nicht schon genug Schaden angerichtet?«
    »Nur ein bisschen. Damit du schlafen kannst.«
    Ohne meine Antwort abzuwarten zog sie ein Fläschchen aus der Tasche. Es enthielt nicht mein übliches Chloral, sondern irgendwelche Tabletten. Sie schüttelte zwei davon in ihre Hand und hielt sie mir hin. Da ich wusste, dass sie den Raum nicht verlassen würde, bevor ich sie geschluckt hatte, legte ich mir die bitteren Tabletten auf die Zunge, nahm das Wasserglas von meinem Nachttisch und trank einen

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