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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kraft hätte, mich zu schämen. Selbst das kann ich nicht mehr, denn mein Gehirn denkt nicht mehr so weit, daß es Schande empfinden könnte oder andere Regungen als Haß, einfach nur Haß.
    Babaâdour machte eine Pause und betrachtete seine Hände, als seien sie das Interessanteste auf der Welt. Ich wußte, was er gleich sagen würde, ich wartete darauf mit dem Genuß eines Irren. Und dann sagte er: »Wir müssen Sie weiterschaffen, Doktor!«
    Ich zuckte empor. Ich sprang hoch und klammerte mich an dem Mittelpfosten meines Zeltes fest. »Weiterschaffen?« schrie ich. »Warum denn immer weiter, immer weiter in die Wüste hinein? Vielleicht ins Hoggar? In das Mondgebirge inmitten der Sahara?«
    »Daran habe ich gedacht«, nickte Babaâdour. »Dorthin ist nie eine Streife gekommen. Es sind Gebiete, die kaum ein Weißer betreten hat!«
    »Also lebendig begraben wollt ihr mich?« brüllte ich. Meine Stimme überschlug sich, ich hörte es selbst, wie sie klirrend zerbrach, als habe man Glas auf einen Steinboden geworfen. »Warum tötet ihr mich nicht? Es ist doch besser, praktischer, es geht schneller, ein Schuß, ein kleines Loch. Oder noch besser die Aasgeier – wer kann später an den gebleichten Knochen erkennen, wer da in der Wüste verreckte? Warum schießt ihr nicht?«
    Babaâdour lächelte, wirklich, er lächelte, während ich am Zeltpfahl stand und vor Erregung zitterte. »Wir brauchen Sie, Doktor«, sagte er leise. Seine Stimme war süß, klebrig, ekelhaft. »Sie haben südlich Mursuk eine Wasserader entdeckt.«
    »Ja«, antwortete ich erstaunt.
    »Eine Ader, die ich noch nicht kenne.«
    »Ach!« Ich wurde ruhig, als ich dies hörte, ganz ruhig. Er kennt nicht die Ader bei Mursuk, durchfuhr es mich. Er weiß nicht, daß unter der Sandwüste von Taibet bis zu den Felsen von Tibesti eine große Wasserader liegt, die ein Gebiet, größer als Frankreich, mit Fruchtbarkeit überziehen könnte. Ich sah Babaâdour an, und seine Augen erwiderten meinen Blick mit einem Flimmern. Seine hagere Greisengestalt war ein wenig nach vorn gebeugt – mehr zeigte er nicht an Spannung, an Lauern auf meine Antwort.
    Es war eine Wonne für mich zu schweigen. Ich schwieg mit einem Lächeln, das sich im Gesicht Babaâdours widerspiegelte und es versteinerte.
    »Sie haben uns nichts zu sagen, Doktor?« fragte der Alte.
    »Nein.«
    »Die Ader interessiert uns.«
    »Das weiß ich, Babaâdour.«
    »Sie könnte der Preis für Ihre Freilassung sein.«
    Da lachte ich. Ich lachte laut, indem ich mich an den Pfahl des Zeltes klammerte. Oh, man kann lachen, auch wenn man weiß, daß alles verloren ist, denn so zermürbt war ich noch nicht, um nicht zu erkennen, daß diese Falle mein endgültiger Tod war.
    Amar Ben Belkacem sah mich lange an, so lange, bis ich das Lachen einstellte. Ich werde diesen Blick nie vergessen: Er war gemischt aus Mitleid, Verwunderung, Trauer und Haß.
    »Wir werden die Ader auch ohne Sie finden, Doktor«, sagte er mit verhaltener Stimme. »Sie sehen doch hoffentlich ein, daß dies ein Grund mehr für uns ist, Sie von der übrigen Welt zu isolieren. Wenn Ihr Wissen dem französischen Kolonialministerium bekannt und die Sahara vom Wadi Draa bis Bilma fruchtbar würde, bedeutete dies den Untergang unseres großafrikanischen Reiches.«
    »Noch ist das Ihr Traum, Amar!«
    »Noch, Doktor. Glauben Sie, daß Frankreich mit Maschinengewehren und Kanonen die natürliche Entwicklung aufhalten kann? Der Lauf eines Umschichtungsprozesses ist nicht aufzuhalten. Es hieße die Erde anhalten. Europa hat uns die Tore geöffnet – wir haben an seinen Universitäten studiert, wir haben es besichtigt, die Industrie, die Kultur, die Landwirtschaft, den Handel – wir kennen Europa, seine Stärke und seine Schwäche. Wir haben mit dem unverbrauchten Geist des Naturvolkes gelernt, was nur zu lernen war; jetzt werden wir das Erlernte verwerten für unser großes Ziel: die Freiheit Afrikas!«
    Babaâdour hatte wieder auf seine Hände gesehen, als Amar Ben Belkacem sprach, und er lächelte dabei, als hörte er eine fröhliche Nachricht. Jetzt blickte er auf und nickte mir zu. »Sie sind dumm, Doktor.«
    »Ich weiß es, Babaâdour. Aber ich kann nicht gegen mein Gefühl an. Sie haben das Europa des Friedens gesehen. Sie sind durch satte Länder gefahren, durch die Schweiz, durch Dänemark, durch den Norden, Sie haben Holland gesehen, Belgien, Italien, Frankreich in seiner Blüte.«
    »Und Deutschland, Doktor.«
    »Welches Deutschland?«
    »Das

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