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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Pertussi dann bis zum Mittag nicht mehr sah. Er arbeitete in seinem Büro. Um zehn Uhr aber – und das war in fünf Monaten siebenmal vorgekommen – standen zitternd und befangen oder keck und herausfordernd einige Tänzerinnen in der Tür zum Sekretariat und baten um Vorstellung bei dem Herrn Direktor. Dora Bader ließ sie dann alle zusammen in das Chefzimmer treten, wo sie nach einer Viertelstunde wieder herauskamen, enttäuscht, wütend oder im Gesicht die große Hoffnungslosigkeit, die Hunger und Angst um das weitere Leben prägen.
    Dann pflegte Baron von Pertussi seufzend ins andere Zimmer zu kommen und zu sagen: »Es ist erschreckend, wie wenig hübsche Mädchen es in Berlin gibt! Meine Auftraggeber suchen ausgesucht schöne Mädchen! Ja, ja, die Schönheit stirbt in der Welt!«
    An jenem Tag – es war der 17. Juli 1957 – trat in die Räume der ›Transatlantik‹ ein großes, schwarzlockiges Mädchen. In der Hand hielt es eine Tageszeitung, so gefaltet, daß der Annoncenteil nach außen stand. Es nickte der erstaunten Dora Bader freundlich zu und entfaltete das Blatt.
    »Sie suchen Tänzerinnen?« fragte die junge Dame.
    »Allerdings.« Dora Bader hörte mit dem Klappern der Schreibmaschine auf und drehte sich vollends um.
    »In der Zeitung steht: Für Nordafrika. Ich hätte dran Interesse.«
    »Und Sie sind Tänzerin?«
    »Nein.«
    »O je!« Dora Bader schüttelte den Kopf. »Das wird schwer sein, Fräulein. Der Chef sucht seit Monaten, um eine Truppe zusammenzustellen. Bis heute haben wir erst zwölf Tänzerinnen, und wir brauchen dreiundzwanzig!« Sie zuckte mit den Schultern und schob die Unterlippe so vor, wie sie es von dem Baron gesehen hatte. »Aber versuchen Sie's mal! Vielleicht haben Sie mehr Glück als die anderen.« Ein prüfender Blick glitt schnell über die Gestalt. »Hübsch sind Sie ja.«
    Pertussi saß hinter seinem Schreibtisch und las eine Illustrierte, als Dora Bader die junge Dame hereinführte. Er sah nur kurz auf, ein Blick, gelangweilt und interesselos, und stierte dann wieder in das Blatt. »Wo bisher engagiert?« fragte er dabei.
    »Noch nie. Es soll meine erste Stelle sein.«
    »Wo studiert?«
    »Überhaupt nicht. Ich möchte nur nach Afrika.«
    Pertussi warf die Illustrierte auf die blanke Tischplatte zurück, wo sie, mit dem Titelbild nach oben, in der Sonne liegen blieb. Ein Titelbild mit dem Kopf eines lachenden Mädchens.
    »Sie wollen nach Afrika? Mit anderen Worten: Sie suchen einen Job, um auf billige Art übers Mittelmeer zu kommen.«
    »Ganz richtig.«
    Pertussi erhob sich steif. »Ich bewundere Ihren Mut, mein Fräulein, mir dies so einfach ins Gesicht zu sagen. Ich brauche Tänzerinnen, aber keine Abenteuerinnen.«
    Das Mädchen lachte ein wenig gequält und spielte nervös mit einer Tasche aus Eidechsleder. »Darf ich mich setzen?« fragte sie, weniger siegessicher als vorher. Als Pertussi ihr zuwinkte, ließ sie sich in den Sessel fallen und schlug plötzlich beide Hände vor das Gesicht. Es war, als schluchze sie.
    Pertussi stand steif hinter seinem Tisch und kam sich hilflos vor. Er zögerte, ein paar Trostworte zu sagen, aber da blickte sie schon auf.
    In ihren Augen war nackte Angst. »Sie müssen mich mitnehmen«, sagte sie leise. »Ich muß!« Sie schnellte den kleinen, schmalen Kopf etwas vor. »Verstehen Sie, ich muß!«
    »Sie werden gesucht? Polizei?«
    »Nein! Ich will suchen.«
    »Sie? Ich verstehe nicht.«
    »Kennen Sie Dr. Hans Sievert?«
    »Bedaure, nein.«
    »Sie sind noch nicht lange in Berlin?«
    »Seit einem Jahr, knapp.«
    »Vor fünfzehn Jahren war dieser Dr. Sievert eine große Hoffnung der deutschen Industrie. Er hatte Erfindungen gemacht, die eine Umstellung im gesamten Radarwesen herbeiführten. Zur Erprobung bestimmter Teile wurde er nach Afrika geschickt, zum Afrikakorps. Er geriet in englische Gefangenschaft, floh aus dem Lager Tunis und verschwand in der Wüste.«
    Pertussi nickte. »Ein Kriegsschicksal, mein Fräulein. Er wird in der Wüste verdurstet sein.«
    »Das schrieben mir auch die Suchstellen. Aber ich glaube nicht daran!«
    »Und wie kommen Sie zu diesem – Glauben?«
    »Ich träume von ihm. Verstehen Sie das? Nachts wache ich plötzlich auf – da steht er vor meinem Bett und streckt beide Arme nach mir aus! Schrecklich sieht er aus! Sein Gesicht ist eingefallen und bleich, immer will er etwas sagen; doch wenn ich mich aufrichte, löst sich die Gestalt in Nebel auf, und nur der Mond scheint ins Zimmer.«
    »Sie sind

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