Die Strozzi
alle Vorwürfe in einem Brief an die Signoria empört zurückzuweisen und vehement seine Loyalität gegenüber der Republik zu beteuern. Dies fiel ihm leicht, denn er hatte schon 1505 Florenz verlassen und reiste seitdem in der Provence und in Italien umher – sein Brief kam aus Venedig. Der Grund dieses freiwilligen Exils war allerdings seine erbitterte persönliche Feindschaft gegenüber Piero Soderini, die ihn auch dazu bewogen hatte, mit den Medici wieder Kontakt aufzunehmen. Sein Sohn Giovanni war, was nicht unbemerkt geblieben war, mehrmals in der letzten Zeit nach Rom gereist. Die Rückkehr der Medici nach Florenz rückte näher.
Als sich die Aufregung etwas gelegt hatte, holten Filippo Strozzis Angehörige Clarice de’ Medici nach Florenz. Giulio de’ Medici begleitete sie bis an die Grenze von Florenz, wo Filippos Bruder Lorenzo sie in Empfang nahm und in ihr neues Heim geleitete. Sie betratendie Stadt spätabends, kurz bevor die Tore geschlossen wurden, um jedes Aufsehen zu vermeiden. Filippo brauchte keine drei Jahre in Neapel auszuharren, denn Piero Soderini hielt es selbst für angebracht, das Exil früher zu beenden. Er veranlasste Clarice, die sein Taufkind war, ihn um Gnade für ihren Gemahl zu bitten. Die Sache musste erneut den «Otto» vorgelegt werden, die Filippo zu diesem Zweck die Erlaubnis erteilten, nach Florenz zurückzukehren. Da der Prozess sich hinzog, wurde diese Erlaubnis mehrmals verlängert, bis der Bann Anfang 1512 abgelaufen war. Andere Sanktionen waren nicht vorgesehen. Filippo hielt sich in diesen Jahren, als sein Bann noch in Kraft war, möglichst aus der Öffentlichkeit fern. Als 1510 Prinzivalle della Stufa ihn in eine Verschwörung gegen Soderini hineinziehen wollte, meldete er dies der Regierung.
Szenen aus der apokryphen Tobias-Geschichte des Alten Testaments. Sie wurden möglicherweise anlässlich der Hochzeit Filippo Strozzis mit Clarice de’ Medici gemalt und waren vielleicht als Teil der Wandtäfelung für ihre «camera» bestimmt.
Aus Anlass von Filippo Strozzis Vermählung mit Clarice de’ Medici entstanden wahrscheinlich jene zwei Tafeln mit der Darstellung der Tobias-Geschichte, die heute in den Berliner Museen aufbewahrt sind (siehe Abb. oben und Vorsatz). Sie wurden von zwei verschiedenen nicht identifizierten, wahrscheinlich florentinischen Künstlern gemalt, und ihre Maße lassen vermuten, dass sie Teil einer Wandtäfelung waren. Es war üblich, dass bei einer Heirat die «camera», Wohn- und Schlafzimmer zugleich, die das junge Ehepaar bezog, mit neuen Möbeln und anderen Schmuckstücken ausgestattet wurde, und sicher sorgte auch Filippos Familie dafür, für Clarice de’ Medici einesolche «camera» würdig einzurichten. Die Anspielungen auf die Heirat sind auf den beiden Tafeln allerdings sehr diskret. Kein Strozzi-Wappen ist zu sehen, und auf die Medici verweisen nur einige rund angeordnete Kugeln, die an das Medici-Wappen denken lassen. Sie sind auf einem Wandteller und als Abzeichen auf Kleidern und Hüten der Diener angebracht. Es war nicht opportun, in einem Raum, in dem auch Gäste empfangen wurden, allzu deutlich an diese umstrittene Ehe zu erinnern.
Das gewählte Thema passte indes sehr gut zu Filippo Strozzis Situation. Tobias wird in der apokryphen biblischen Erzählung von seinem Vater ins ferne Reich der Meder geschickt, um dort bei einem Landsmann einen Kredit einzufordern. Sein unerkannter Begleiter und Beschützer bei dieser gefährlichen Reise ist der Erzengel Raffael. Im fremden Land erhält Tobias nicht nur den Kredit zurück, sondern findet auch eine Braut, mit der er zu seinen Eltern zurückkehrt. Die Tobias-Legende war in Florenz sehr beliebt, da sie Erfahrungen der Kaufmannswelt widerspiegelte. So galt der Erzengel Raffael als Beschützer der Knaben, die oft schon in kindlichem Alter zur kaufmännischen Ausbildung in fremde Städte und Länder geschickt wurden, so wie auch einst die Söhne Alessandra Macignis, Filippos Vater und Onkel. Mehrere Darstellungen des Erzengels mit Tobias, der ganz unkonform mit der biblischen Erzählung als älteres Kind dargestellt zu werden pflegte, sind aus florentinischem Milieu erhalten. An den Erzengel Raffael pflegte sich auch Alessandra Macigni zu wenden, wenn sie ihre Söhne in Gefahr wähnte.
Die beiden Tafeln stellen dagegen die Tobias-Geschichte in ihrer zeitlichen Abfolge dar, vom Abschied Tobias’ von seinen Eltern bis hin zu seiner Rückkehr von der weiten Reise. Dabei steht seine
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