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Die stumme Bruderschaft

Die stumme Bruderschaft

Titel: Die stumme Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro
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Beaujeau hatte ihm einen Brief für den Visitator und den Ordensoberen der Templer von Marseille mitgegeben. »Sie werden das Bestmögliche tun«, hatte er zu ihm gesagt.
    Der Ordensobere, ein Adeliger mit harten Gesichtszügen, hinter denen de Charney aber bald einen gutmütigen Mann entdeckte, hörte ihn an, ohne ein Wort zu sagen. Dann bat er ihn, ihm die Reliquie zu übergeben.
    Seit Jahren kannten die Templer das wahre Antlitz Christi, denn Renaud de Vichiers hatte das Bild von dem Grabtuch kopieren lassen, und es gab kein Ordenshaus, das nicht über ein Abbild davon verfügte. Aber Vichiers hatte zur Diskretion geraten: Das Bild wurde vor neugierigen Blicken geschützt, es wurde in geheimen Kapellen aufbewahrt, in denen sie sich zum Gebet versammelten. So wurde das Geheimnis bewahrt, dass der Templerorden die einzig echte Reliquie von Jesus besaß.
    François de Charney öffnete seinen Beutel und holte das Leintuch hervor, in das er das Grabtuch gewickelt hatte. Er entfaltete es und … Die beiden Männer fielen auf die Knie, so groß war das Wunder.
    François Vezelay, der Ordensobere, und François de Charney dankten Gott, dass sie das Wunder erschauen durften.

40
     
    Der Wärter kam in die Zelle, durchsuchte den Schrank und nahm die wenigen Sachen mit, die er fand. Mendibj beobachtete ihn schweigend.
    »Sieht so aus, als kämst du bald raus, und da sie wollen, dass ihr das Gefängnis anständig verlasst, geht das jetzt zum Express-Wäscheservice. Ich weiß nicht, ob du mich verstehst, aber egal, ich nehme das jetzt mit. Ah! Und deine ekligen Turnschuhe stinken bestimmt wie die Pest, nachdem du sie zwei Jahre lang anhattest.«
    Er ging auf das Bett zu und hob sie vom Boden auf. Mendibj wollte sich aufrichten, als wollte er protestieren, aber der Wärter legte den Zeigefinger warnend auf seine Brust.
    »Ganz ruhig. Ich tue hier nur, was man mir sagt, und das geht jetzt in die Wäscherei. Morgen bekommst du alles zurück.«
    Als er allein war, schloss er die Augen. Er wollte nicht, dass die Überwachungskameras erfassten, wie aufgeregt er war. Warum nur hatten sie seine Kleidung und vor allem die Turnschuhe mitgenommen?
     
    Marco verabschiedete sich vom Gefängnisdirektor. Er war fast den ganzen Tag im Gefängnis gewesen. Er hatte die beiden Brüder befragt, trotz der Proteste des Arztes. Zwecklos. Sie wollten ihm nicht sagen, wohin sie wollten, als sie zusammengeschlagen wurden, und auch nicht, wer sie fertig gemacht hatte. Marco wusste, dass es Frasquellos Männer gewesen waren, aber er hätte gern erfahren, ob die beiden sie erkannt hatten.
    Die jedoch klagten bloß, sie hätten Kopfschmerzen und er quäle sie mit seinen Fragen. Sie hätten nirgendwo hingewollt, die Zellentür sei offen gewesen, sie seien raus, und dann habe sie jemand angegriffen. Kein Wort zu viel und keins zu wenig. Das war ihre Version der Geschichte, und niemand würde sie davon abbringen.
    Der Direktor hatte Marco vorgeschlagen, er solle ihnen auf den Kopf zusagen, dass sie den Stummen töten wollten, aber Marco verwarf diesen Vorschlag. Er wollte die Drahtzieher nicht vorwarnen. Im Gefängnis gibt es Hunderte von wachsamen Augen. Wer weiß, wer das Verbindungsglied nach draußen war.
    »Gute Nacht, Herr Direktor.«
    »Gute Nacht, bis morgen.«
    Die Frau verließ das Büro, ohne sich umzudrehen. Sie war in die private Toilette des Direktors gegangen, um die Handtücher zu wechseln. Sie war Teil des Gefängnisalltags, sie ging überall hin, ohne dass man ihr Beachtung schenkte.
    Als Marco ins Hotel kam, warteten Antonino, Pietro und Giuseppe an der Bar auf ihn. Sofia war schlafen gegangen, und Minerva hatte versprochen herunterzukommen, wenn sie mit ihrer Familie telefoniert hatte.
    »Drei Tage noch, dann ist der Stumme draußen. Was gibt es Neues?«
    »Nichts Besonderes«, sagte Antonino. »Außer dass es in Turin anscheinend viele Einwanderer aus Urf a gibt.«
    Marco runzelte die Stirn.
    »Kannst du das mal näher erklären?«
    »Minerva und ich haben geschuftet wie die Wilden. Du wolltest doch über die Bajerai-Familie Bescheid wissen. Wir haben Daten in den Computer eingegeben und dabei zum Beispiel herausgefunden, dass der alte Turgut, der Hausmeister der Kathedrale, aus Urf a stammt. Na ja, nicht er, sein Vater. Seine Geschichte ähnelt der von den Bajerai-Brüdern. Sein Vater kam hierher, um Arbeit zu suchen, er hat bei Fiat angefangen, eine Italienerin geheiratet, und dann wurde Turgut geboren. Sie haben keine Beziehung zu

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