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Die stumme Bruderschaft

Die stumme Bruderschaft

Titel: Die stumme Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro
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Treppen bis in die kalten Keller hinunter und inspizierte dort in einem bewachten Saal die Truhen, die auf die Reise nach Frankreich gehen sollten.
    »Wir werden die Truhen auf drei Galeeren verteilen. Seid bereit, jederzeit an Bord zu gehen. Der Schatz hat mehr Aussichten seinen Zielort zu erreichen, wenn wir ihn aufteilen. Jeder von euch weiß, auf welches Schiff er geht …«
    »Ich noch nicht«, sagte François de Charney.
    »Ihr werdet mich in den Kapitelsaal begleiten, dort werde ich mit Euch sprechen und Euch sagen, was Euer Bestimmungsort ist.«
    Guy de Beaujeau sah de Charney an. Er war schon über sechzig, aber immer noch kräftig, das Gesicht von der Sonne gegerbt, einer der Veteranen des Templerordens. Er hatte viele Gefahren überlebt, und als Spion war er unvergleichlich, genau wie sein toter Freund Robert de Saint-Remy, dessen Herz bei der Verteidigung von Tripolis von einem sarazenischen Pfeil durchbohrt wurde.
    Der Großmeister konnte in de Charneys Blick die Angst ablesen, die der Gedanke in ihm auslöste, das Land verlassen zu müssen, das sein Land war, sein Leben, in dem er oft unter dem freien Sternenhimmel schlief, mit den Karawanen auf der Suche nach Informationen herumzog und in sarazenischen Lagern untertauchte, von wo er stets zurückkehrte. Für François de Charney war es eine Katastrophe, nach Frankreich zurückkehren zu müssen.
    »Ihr sollt wissen, de Charney, dass ich nur Euch mit dieser Mission betrauen kann. Als Ihr vor Jahren als junger Spund in den Orden eingetreten seid, habt Ihr zusammen mit Ritter de Saint-Remy aus Konstantinopel die einzige echte Reliquie von Jesus hierher gebracht, das Grabtuch. Dank dieses Grabtuchs kennen wir das Antlitz Jesu, und zu Ihm beten wir. Ihr seid inzwischen in die Jahre gekommen, aber seid unbesorgt, ich weiß um Eure Stärke und Eure Tapferkeit, und deswegen vertraue ich Euch das Grabtuch an. Von allen Schätzen ist dies der wertvollste, denn er trägt das Antlitz und das Blut des Herrn. Ihr werdet ihn retten. Aber Ihr werdet erst zum Lager der Mamelucken zurückkehren. Wir müssen wissen, ob uns irgendein Hinterhalt auf dem Meer erwartet. Wenn Ihr diese Mission erfüllt habt, reist Ihr mit den Männern Eurer Wahl nach Zypern. Ihr könnt die Reiseroute selbst bestimmen, zu Schiff oder zu Pferd. Ich vertraue auf Eure Urteilskraft. Niemand darf wissen, was Ihr mit Euch führt, Ihr bestimmt, wie die Reliquie transportiert werden soll. Und jetzt bereitet Euch auf Eure Mission vor.«
     
    Ritter de Charney mischte sich in Begleitung des treuen Knappen Said wieder unter die Mamelucken. Den Soldaten war die Anspannung vor der Schlacht anzumerken; um das Feuer sitzend, dachten sie wehmütig an ihre Familien, an die Söhne, die inzwischen schon Männer waren und an die sie sich kaum noch erinnerten.
    Drei Tage hörte sich der Templer die Kommentare der Soldaten, Offiziere und Diener an. Da sagte Said zu ihm, ein alter Bekannter habe ihm erzählt, der Angriff solle in zwei Tagen stattfinden. Noch in derselben Nacht stahlen sie sich aus dem Lager. Sie kamen in Acre an, als die beeindruckende Festung im ersten Tageslicht golden schimmerte.
    Guy de Beaujeau befahl den Rittern, sich auf den Angriff vorzubereiten. Panik machte sich unter vielen Christen breit, die kein Transportmittel fanden, um die Festung zu verlassen, deren Schicksal mehr als ungewiss war.
    De Charney half seinen Ordensbrüdern, die tausendfach geprobte Verteidigung vorzubereiten und den Streit zwischen einigen Christen zu schlichten, die sich gegenseitig getötet hätten, nur um fliehen zu können. Es gab keine Schiffe mehr, und die Leute waren verzweifelt.
    Es war Nacht geworden, als der Großmeister de Charney rufen ließ.
    »Ihr müsst Euch auf den Weg machen. Ich habe einen Fehler gemacht, als ich Euch in das sarazenische Lager schickte, denn jetzt sind alle Schiffe bereits ausgelaufen.«
    François de Charney versuchte sich zu beherrschen und atmete tief durch, bevor er sprach.
    »Ich wollte Euch um einen Gefallen bitten. Ich möchte nur in Begleitung von Said reisen.«
    »Das ist gefährlich.«
    »Aber niemand wird bei zwei Mamelucken Verdacht schöpfen.«
    »Wie Ihr meint.«
    Die beiden Männer umarmten sich. Es war das letzte Mal, dass sie sich auf Erden sahen; das Schicksal beider war besiegelt. Sie wussten beide, dass der Großmeister in der Festung Saint Jean d’Acre sterben würde.
     
    De Charney suchte ein Leintuch von derselben Größe wie das Grabtuch. Er wollte nicht,

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