Die stumme Bruderschaft
dass es auf der Reise Schaden nahm, aber diesmal hielt er es nicht für klug, es in eine Schatulle zu stecken. Es würde nicht leicht sein, bis nach Konstantinopel durchzukommen, von wo aus er nach Frankreich reisen wollte, und je weniger Gepäck sie mit sich führten, desto besser.
Genau wie Said war er es gewohnt, im Freien zu übernachten und sich von dem zu ernähren, was sie unterwegs jagten, ob in den Wäldern oder in der Wüste. Sie brauchten nur zwei gute Pferde.
Er hatte Gewissensbisse, weil er die Kameraden ihrem Schicksal überließ. Er würde nie mehr zurückkehren, so viel war klar, und im lieblichen Frankreich an die trockene Wüstenluft und an die Fröhlichkeit in den Lagern der Sarazenen denken, unter denen er so viele Freunde hatte, schließlich war ein Mensch ein Mensch, ganz gleich, zu welchem Gott er betete. Er hatte in den Reihen der Feinde Ehre, Gerechtigkeit, Schmerz, Freude und Elend gesehen, genau wie in den eigenen. Die Sarazenen waren nicht anders, nur die Fahnen, unter denen sie kämpften.
Er würde Said bitten, ihn ein Stück des Weges zu begleiten, und dann allein Weiterreisen. Er konnte von seinem Freund nicht verlangen, sein Land zu verlassen. Er würde sich nicht an das Leben in Frankreich gewöhnen, so viele wunderbare Geschichten er ihm auch von seinem Dorf Lyrey in der Nähe von Troyes erzählt hatte. Dort hatte er auf den grünen Weiden des Familienbesitzes reiten und die kleinen Schwerter benutzen gelernt, die sein Vater vom Schmied hatte anfertigen lassen, damit seine Söhne Ritter würden.
Said war alt geworden, genau wie er, und es war zu spät für ihn, ein völlig neues Leben anzufangen.
Er hatte das Tuch sorgfältig in das neue Leinen eingeschlagen und steckte es in einen Beutel, den er immer bei sich trug. Er ging zu Said und teilte ihm die Befehle mit. Er fragte ihn, ob er ihn ein Stück begleiten wolle, bevor sich ihre Wege für immer trennten. Said nickte. Er wusste, wenn er zurückkäme, würde es keinen Christen mehr in Acre geben. Er würde zu seinem Volk zurückkehren und nutzen, was ihm an Lebenszeit noch blieb.
Es regnete Feuer vom Himmel. Die brennenden Pfeile schossen über die Mauern und vernichteten, was ihnen in den Weg kam. Am 6. April im Jahre des Herrn 1291 hatten die Mamelucken mit der Belagerung von Saint Jean d’Acre begonnen. Sie quälten die Stadt, die von den Templern tapfer verteidigt wurde.
Guillaume de Beaujeau hatte die Ritter am ersten Tag der Belagerung beichten und die Kommunion empfangen lassen. Nur wenige von ihnen würden überleben, und so forderte er sie auf, ihre Seelen vor Gott ins Reine zu bringen.
Er wusste, dass François de Charney jetzt zu Pferd unterwegs war und sich von dem Land verabschiedete, das seine Heimat geworden war. Sein Herz hatte ihm geraten, diesen Ritter mit dem Heiligen Tuch loszuschicken. Der Junge, der es vor vierzig Jahren aus Konstantinopel gebracht hatte, würde jetzt sein treuer Hüter auf dem Weg in den Westen sein. Inschallah!
Wie viele Ritter waren noch übrig? Nur noch fünfzig Mann verteidigten die Mauern, die sie dem Feind nicht überlassen wollten, während die Zivilisten verzweifelt schreiend herumliefen. Des Menschen schlimmste Eigenschaften kamen ans Tageslicht, wo es nur noch darum ging, das eigene Leben zu retten. Panik griff um sich. Ein Schiff war wenige Meter von der Küste entfernt untergegangen, weil es die Last der vielen Gerätschaften und Menschen, die dem sicheren Tod entkommen wollten, nicht tragen konnte.
In Acre, der befestigten Stadt, der Bastion des Templerordens, wurde Mann gegen Mann gekämpft. Die Templer verteidigten jede Handbreit Land mit ihrem Leben, erst wenn es erloschen war, konnte der Feind vorrücken.
Guy de Beaujeau kämpfte schon seit Stunden, er wusste nicht, wie viele Männer er getötet hatte und wie viele neben ihm umgekommen waren. Er hatte die Ritter aufgefordert, Acre zu verlassen, bevor es fiel. Vergeblich, weil alle in dem Wissen weiterkämpften, dass sie ihr Handeln vor Gott zu verantworten hatten.
Der Großmeister kämpfte gegen die wilden Sarazenen, er versuchte den Hieben mit dem Schild zu entgehen, aber, was war das? Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz in der Brust und ihm wurde schwarz vor Augen. Inschallah!
Jean de Perigod schleifte Guy de Beaujeaus leblosen Körper in den Schutz der Mauer. Die Nachricht war schnell herum: Der Großmeister war tot. Acre stand kurz vor der Kapitulation, aber Gott wollte nicht, dass es in dieser
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