Die stumme Bruderschaft
dir die Frage nicht beantworten, aber ich glaube nicht. Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Templer das Grabtuch beschädigen wollen, und eins sage ich dir: Wenn sie das Tuch für sich haben wollten, hätten sie es längst. Sie sind mächtig, mächtiger, als du dir vorstellen kannst, und sie sind zu allem fähig.«
Paul sah Elisabeth an und diese nickte. Ana verschlug es die Sprache, als sie sah, wie der Sessel, in dem Elisabeth saß, auf sie zugerollt kam. Es war ihr gar nicht aufgefallen. Er sah aus wie ein gewöhnlicher Schreibtischstuhl, war aber offensichtlich für jemanden gemacht, der nicht laufen konnte.
Elisabeth hielt vor Ana an und nahm die Decke von ihren Beinen.
»Ich bin Schottin, ich weiß nicht, ob Jean dir das gesagt hat. Mein Vater ist Lord McKenny. Er war ein Bekannter von Lord McCall. Der Name wird dir nichts sagen. Lord McCall ist einer der reichsten Männer der Welt, aber er taucht nie in der Zeitung oder im Fernsehen auf. Seine Welt ist nicht von dieser Welt, in seiner Welt gibt es nur mächtige Männer. Er besitzt eine beeindruckende alte Templerfestung in der Nähe der Small Isles. Aber er lädt niemanden dorthin ein. Wir Schotten haben ein Faible für Legenden, also gibt es auch welche über McCall. Manche Leute aus dem Dorf in der Nähe der Festung nennen ihn den Templer und behaupten, manchmal würden mit dem Hubschrauber Männer zu ihm kommen, unter anderem Mitglieder der englischen Königsfamilie.
Irgendwann habe ich Paul von Lord McCall erzählt, und wir kamen auf die Idee, eine Reportage über die Komtureien und Festungen der Templer in Europa zu machen. Eine Art Bestandsliste: Wie viele gibt es noch, wem gehören sie, wie viele wurden im Lauf der Zeit zerstört. Wir dachten, es wäre doch toll, wenn McCall uns in sein Schloss ließe. Wir fingen an zu arbeiten, und am Anfang lief alles wie am Schnürchen. Es gibt hunderte von Templerfestungen, in der Mehrzahl Ruinen. Ich bat meinen Vater, mit McCall zu sprechen, damit wir sein Schloss fotografieren durften. Vergeblich, McCall präsentierte uns sehr liebenswürdig alle möglichen Entschuldigungen. Ich wollte mich damit nicht zufrieden geben, also beschloss ich, es auf eigene Faust zu versuchen, und selbst zu dem Schloss zu gehen. Ich rief an, aber McCall kam nicht ans Telefon. Ein freundlicher Sekretär sagte mir, Lord McCall sei außer Haus, in den Vereinigten Staaten, er könne mich also nicht empfangen, und er habe nicht die Befugnis, mich die Festung fotografieren zu lassen. Ich bedrängte ihn, mich wenigstens zu dem Schloss kommen zu lassen, aber er blieb hartnäckig: auf keinen Fall, ohne die Erlaubnis von Lord McCall dürfe niemand das Gelände betreten.
Ich gab mich nicht geschlagen und beschloss, es trotzdem zu versuchen. Ich war sicher, dass man mir, wenn ich schon mal da war, einen kurzen Blick auf das Gelände nicht verwehren würde.
Bevor ich dorthin ging, sprach ich mit Leuten aus dem Dorf. Sie hatten alle einen Mordsrespekt vor dem Lord, auch wenn sie versicherten, er sei ein großherziger Mann, der dafür sorge, dass es ihnen an nichts mangelte. Einer der Bauern erzählte mir sogar, sein Sohn lebe nur noch, weil McCall eine kostspielige Herzoperation für ihn bezahlt habe.
Als ich an das Gittertor kam, sah ich keine Möglichkeit, hineinzugelangen. Ich ging an der Mauer entlang und versuchte eine Stelle zu finden, wo ich hinüberklettern konnte. Nur damit du verstehst: Mein Hobby war das Klettern, und ich hatte schon einige bedeutende Gipfel erklommen. Also erschien es mir nicht so schwierig, über die Mauer zu kommen, auch ohne besondere Hilfsmittel.
Frag nicht wie, aber ich bin da hoch und dann auf das Grundstück gesprungen. Das ist das Letzte, woran ich mich erinnere. Ich hörte einen Knall, und dann spürte ich einen heftigen Schmerz in den Beinen. Ich fiel zu Boden und wand mich vor Schmerzen. Ein Mann zielte mit einem Gewehr auf mich. Er sprach über sein Walkie-Talkie, dann tauchte ein Geländewagen auf, und man brachte mich ins Krankenhaus. Seitdem bin ich gelähmt. Sie haben mich nicht getötet, aber doch so zielsicher geschossen, dass ich jetzt in diesem Zustand bin.
Natürlich hat alle Welt die Wächter von Lord McCall von jeder Schuld freigesprochen. Ich war ja in die Festung eingedrungen.«
»Das tut mir Leid.«
»Tja, jetzt bin ich für den Rest meines Lebens gelähmt, und das alles wegen einer Dummheit. Aber ich bin überzeugt, dieser gutmütige Lord McCall führt ein
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