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Die stumme Bruderschaft

Die stumme Bruderschaft

Titel: Die stumme Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro
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zeugte von dem zurückhaltenden Geschmack seines Besitzers.
    Die Tür ging auf, und ein alter, großer, gebeugter Mann trat ein. Die sechs Männer erhoben sich und umarmten ihn einer nach dem anderen.
    »Verzeiht die Verspätung, aber um diese Zeit ist es schwierig, in London durchzukommen. Ich konnte mich der Verpflichtung, mit dem Herzog und seinen Freunden und unseren Brüdern Bridge zu spielen, nicht entziehen.«
    Ein leises Klingeln war das Zeichen für den Hausdiener, das Teegeschirr abzuräumen und den Männern etwas zu trinken anzubieten. Als sie wieder unter sich waren, ergriff der Alte das Wort:
    »Gut, gehen wir alles durch.«
    »Addaio hat Zafarin, Rasit und Dermisat für ihr Versagen bestraft. Er hat sie in dem Haus am Rande von Urfa eingesperrt. Die Strafe soll vierzig Tage dauern, aber wie mir mein Kontaktmann versichert, wird Addaio sich damit nicht zufrieden geben. Er hat noch keinen neuen Befehl erteilt, aber früher oder später wird er das tun. Er macht sich Gedanken um Mendibj, den Stummen im Gefängnis von Turin. Er sagt, ihm habe geträumt, wegen Medibjs Schuld werde Unglück über die Gemeinschaft kommen. Mein Kontaktmann ist besorgt. Er sagt, seit Addaio diesen Traum hatte, esse er kaum noch etwas und wirke abwesend. Er fürchtet um seine Gesundheit und darum, was er als Nächstes entscheiden wird.«
    Der Mann, der soeben gesprochen hatte, schwieg. Er war in mittlerem Alter, dunkel, gut gekleidet, hatte einen dicken Schnauzer, sein Englisch war untadelig und seine Haltung fast militärisch.
    Der Alte gab einem anderen Mann ein Zeichen zu reden.
    »Die Leute vom Dezernat für Kunstdelikte wissen mehr, als ihnen selbst bewusst ist. Sie gehen davon aus, dass jemand das Grabtuch mitnehmen oder zerstören will, aber sie können kein Motiv erkennen. Sie ermitteln weiter bei COCSA, in der Hoffnung, dort eine Spur zu finden, die sie weiterbringt. Wie ich bereits gesagt habe, ist die Operation Trojanisches Pferd bereits angelaufen, und Mendibj wird in ein paar Monaten freikommen. Eine weitere mögliche Spur.«
    »Wir müssen jetzt handeln«, sagte ein älterer, gut aussehender Mann mit einem leichten Akzent, der verriet, dass Englisch nicht seine Muttersprache war.
    »Mendibj muss verschwinden«, fuhr er fort. »Und was das Dezernat für Kunstdelikte angeht, sollten wir unsere Freunde mobilisieren. Sie müssen diesem Marco Valoni Einhalt gebieten.«
    »Vielleicht ist Addaio auch zu dem Schluss gekommen, dass Mendibj verschwinden muss, um die Gemeinschaft zu retten«, sagte der mit der militärischen Haltung. »Wir sollten erst mal abwarten, wie Addaio entscheidet, bevor wir in Aktion treten. Es klingt vielleicht heuchlerisch, aber ich hätte es nicht gerne, wenn wir den Tod des Stummen auf dem Gewissen hätten.«
    »Mendibj muss ja nicht unbedingt sterben, wir könnten zunächst dafür sorgen, dass er heil nach Urfa kommt«, warf einer der Anwesenden ein.
    »Das ist sehr riskant«, sagte ein anderer. »Wenn er erst mal frei ist, wird das Dezernat für Kunstdelikte sich an seine Fersen heften. Das sind erfahrene Leute. Sie werden für ausgeklügelte Sicherheitsvorkehrungen sorgen, und dann stehen wir eventuell vor dem Problem, dass wir, um ihn da lebend rauszubekommen, andere töten müssen. Aber dann geht es nicht mehr nur um das Gewissen, dann haben wir es mit Polizisten und Carabinieri zu tun!«
    »Ach, das Gewissen!«, rief der Alte aus. »Schon so oft haben wir uns damit beruhigt, uns zu sagen, wir hätten keine andere Wahl gehabt. In unserer Geschichte ist uns der Tod nicht fremd. Genauso wenig wie das Opfer, der Glauben, die Barmherzigkeit. Wir sind nur Menschen, und handeln, wie wir es für am besten halten. Wir irren, wir sündigen, wir tun das Richtige … Möge Gott sich unser erbarmen.«
    Dann schwieg er. Die anderen senkten die Köpfe und hingen ihren Gedanken nach. Ein paar Minuten sagte keiner etwas. Auf ihren Gesichtern lag eine Spur von Traurigkeit. Schließlich sah der Alte auf.
    »Schön, ich werde euch sagen, was ich für das Beste halte, und mir eure Meinung dazu anhören.«
    Es war schon Nacht, als der Alte das Treffen für beendet erklärte. Draußen regnete es unvermindert.
    Ana Jiménez wollte der Brand in der Kathedrale von Turin nicht aus dem Kopf gehen. Sie sprach jede Woche mit ihrem Bruder, und jedes Mal fragte sie ihn nach dem Stand der Ermittlungen. Santiago wurde wütend und tadelte sie wegen ihrer Neugier, aber er erzählte ihr nichts.
    »Du bist besessen, das führt

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