Die stumme Bruderschaft
Reich verlieren. Dieses Tuch ist heilig, wer es besitzt, braucht nichts zu fürchten. Versucht es.«
»Schön, sprich mit dem Bischof. Sag ihm, du kommst in meinem Namen.«
»Das werde ich tun, aber er wird sich nicht damit zufrieden geben, mit mir zu sprechen. Ihr werdet ihn selbst um das Tuch bitten müssen.«
Der Kaiser rang zerknirscht die Hände, er fürchtete sich davor, dem Bischof gegenüberzutreten. Wie sollte er ihn überzeugen?
Er trank einen Schluck Wein und bedeutete Pascal de Molesmes, dass er allein sein wolle. Er musste nachdenken.
Der Edelmann spazierte am Strand auf und ab und blickte auf die an die Felsen schlagenden Wellen. Sein Pferd wartete geduldig. Er hatte es nicht angebunden, es war ihm in so vielen Schlachten treu gewesen. Das Licht der untergehenden Sonne erleuchtete den Bosporus, und Bartolomé dos Capelos spürte Gottes Odem in der Schönheit des Augenblicks.
Sein Pferd spitzte die Ohren, und er drehte sich um und sah in der Ferne eine Gestalt zu Pferd auf dem staubigen Weg: Er legte instinktiv die Hand an das Schwert, bis er erkennen konnte, ob es der Mann war, den er erwartete.
Der Angekommene stieg vom Pferd und kam zügigen Schrittes auf den Portugiesen zu.
»Du hast dich verspätet«, brummte Bartolomé.
»Ich musste dem Kaiser zu Diensten sein, bis er zu Abend gegessen hatte. Erst dann konnte ich mich aus dem Palast stehlen.«
»Schön, was hast du mir zu sagen, und warum hier?«
Der dickliche untersetzte Mann musterte den Tempelritter unsicher. Er musste sich vor ihm in Acht nehmen.
»Herr, ich weiß, dass der Kaiser den Bischof bitten wird, ihm das Mandylion zu überlassen.«
Bartolomé dos Capelos verzog keine Miene, als wäre ihm die Information völlig gleichgültig.
»Und woher weißt du das?«
»Ich habe ein Gespräch zwischen dem Kaiser und Herrn de Molesmes gehört.«
»Und was will der Kaiser mit dem Mandylion?«
»Es ist die letzte wertvolle Reliquie, die ihm geblieben ist. Er wird sie versetzen. Ihr wisst, dass das Reich bankrott ist. Er will seinem Onkel, dem französischen König, das Tuch verkaufen.«
»Hier, nimm. Und jetzt verschwinde.«
Der Templer gab dem Mann ein paar Münzen, der sprang auf sein Pferd und beglückwünschte sich. Der Ritter hatte die Information gut bezahlt.
Seit Jahren spionierte er im Palast für die Templer; er wusste, dass die Ritter des roten Kreuzes noch weitere Spione hatten, aber er wusste nicht, wer sie waren.
Die Templer waren die Einzigen, die in dem verarmten Reich noch Geld hatten, und viele, sogar Adelige, boten ihnen ihre Dienste an.
Der Portugiese hatte keinerlei Regung gezeigt, als er ihm das mit dem Mandylion gesagt hatte. Vielleicht wussten die Templer es schon von einem der anderen Spione. Nun, das war ja nicht sein Problem, er war fürstlich entlohnt worden.
Bartolomé dos Capelos ritt zu dem Haus der Templer in Konstantinopel. Eine Festung in der Nähe des Meeres, wo mehr als fünfzig Ritter mit ihren Dienern und Stallmeistern lebten.
Dos Capelos ging in den Kapitelsaal, wo seine Brüder beteten. André de Saint-Remy, der Ordensobere, gab ihm ein Zeichen, sich dem Gebet anzuschließen. Eine Stunde nach seiner Ankunft rief Saint-Remy ihn zu sich in sein Arbeitszimmer.
»Setzt Euch, Bruder. Berichtet mir, was der Mundschenk des Kaisers gesagt hat.«
»Er bestätigt die Information des Vorstehers der königlichen Leibwache: Der Kaiser will das Mandylion versetzen.«
»Das Grabtuch Christi …«
»Er hat das ja schon mit der Dornenkrone getan.«
»Es gibt so viele gefälschte Reliquien … Aber das Mandylion ist echt. In diesem Tuch ist das Blut Christi, sein Antlitz. Ich warte auf die Erlaubnis unseres Großmeisters, Guillaume de Sonnac, es kaufen zu dürfen. Schon vor Wochen habe ich ihm die Nachricht geschickt, dass das Mandylion zur Zeit die einzige echte Reliquie in Konstantinopel ist, und die wertvollste dazu. Wir müssen sie in unseren Besitz bringen, damit wir über sie wachen können.«
»Und wenn die Antwort von Guillaume de Sonnac nicht rechtzeitig kommt?«
»Dann werde ich die Entscheidung treffen und hoffen, dass der Großmeister sie gutheißt.«
»Und der Bischof?«
»Er will dem Kaiser das Tuch nicht geben. Wir wissen, dass Pascal de Molesmes bei ihm war und gebeten hat, es zu übergeben. Er hat sich geweigert. Jetzt wird ihn der Kaiser persönlich darum ersuchen.«
»Wann?«
»Innerhalb der nächsten sieben Tage. Wir werden einen Termin mit dem Bischof vereinbaren, und ich
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