Die stumme Bruderschaft
habe. Wie auch nicht, wenn wir in ein und demselben Land leben und Umgang mit ihnen haben. Der Großmeister wollte, dass wir ihre Sprache lernen und einige von uns sich mit ihren Sitten vertraut machen, damit wir uns in ihrem Gebiet niederlassen können, um zu spionieren, zu beobachten und erfolgreich die Missionen zum Ruhme des Templerordens auszuführen. Meine ohnehin braune Haut ist von der Sonne des Orients noch dunkler geworden, und mein schwarzes Haar trägt auch dazu bei, dass ich nicht auffalle. Und was ihre Sprache angeht, ist es mir nicht schwer gefallen, sie verstehen und schreiben zu lernen: Ich hatte einen guten Lehrmeister, den Knappen, der mich begleitet. Du weißt, dass ich sehr früh in den Orden eingetreten bin. Guillaume de Sonnac befahl damals, dass wir, die Jüngsten, von den Sarazenen lernen sollten, bis wir nicht mehr von ihnen zu unterscheiden seien.
Aber du hast mich nach Ali, meinem Knappen, gefragt. Er ist nicht der einzige Muselmane, der Kontakt zu den Templern hat. Sein Dorf wurde von Kreuzrittern zerstört. Er hat mit ein paar anderen Kindern überlebt. Guillaume de Sonnac hat sie mehrere Tagesritte von Acre entfernt aufgegriffen. Ali, der Jüngste, war erschöpft und delirierte im Fieber. Der Großmeister hat sie in unsere Festung gebracht, dort haben sie sich erholt, und dort sind sie auch geblieben.«
»Und haben sie sich euch gegenüber immer loyal verhalten?«
»Guillaume de Sonnac hat ihnen erlaubt, zu Allah zu beten und sie als Boten eingesetzt. Sie haben uns nie verraten.«
»Und Renaud de Vichiers?«
»Ich weiß es nicht. Er hat uns jedenfalls nicht verboten, in Begleitung von Ali und Said zu reisen.«
»Gut, ruh dich aus, und schick mir François de Charney, den Bruder, mit dem du gereist bist.«
»Das werde ich tun.«
Als André de Saint-Remy allein war, entfaltete er die Schriftrollen und las die Befehle Renaud de Vichiers, des neuen Großmeisters des Templerordens.
Der purpur verkleidete Raum sah aus wie ein kleiner Thronsaal. Die weich gepolsterten Stühle, der Tisch aus Edelholz, das Kruzifix aus reinem Gold und andere Gegenstände aus ziseliertem Silber zeigten an, in welchem Reichtum ihr Besitzer lebte.
Auf einem Tischchen standen Kristallkaraffen mit edlen Wienen und ein großes Tablett mit Leckereien aus der Küche eines nahe gelegenen Klosters.
Der Bischof hörte Pascal de Molesmes gleichmütig an. Seit einer Stunde überhäufte der französische Adelige ihn mit Argumenten, um ihn dazu zu bringen, dem Kaiser das Mandylion auszuhändigen. Er schätzte Balduin, er wusste, er hatte ein gütiges Herz, auch wenn seine Herrschaft bisher eine Abfolge von lauter Unzulänglichkeiten gewesen war.
Pascal de Molesmes unterbrach sein Plädoyer, als er merkte, dass der Bischof in Gedanken versunken war und ihm nicht mehr zuhörte. Die plötzliche Stille holte den Bischof in die Wirklichkeit zurück.
»Ich habe Euch angehört, und ich verstehe Eure Argumentation, aber der König von Frankreich kann das Schicksal von Konstantinopel nicht davon abhängig machen, ob er das Mandylion bekommt oder nicht.«
»Der überaus christliche König hat versprochen, dem Kaiser zu helfen. Wenn er das Tuch nicht erwerben kann, möchte er es wenigstens für eine Zeit als Leihgabe. Ludwig wünscht, dass seine Mutter, Doña Blanca von Kastilien, ebenfalls eine gute Christin, das wahre Antlitz von Jesus unserem Herrn sehen kann. Die Kirche würde das Eigentum an dem Mandylion nicht verlieren und Geld einnehmen und dazu beitragen, Konstantinopel aus seiner Not zu befreien. Glaubt mir, Eure Interessen und die des Kaisers stimmen überein.«
»Das tun sie nicht. Der Kaiser braucht das Gold, um zu retten, was von seinem Reich noch übrig ist.«
»Konstantinopel siecht vor sich hin, das Reich ist mehr Phantasie als Wirklichkeit, und eines Tages werden die Christen seinen Verlust beweinen.«
»Monsieur de Molesmes, ich halte Euch für zu intelligent, um zu versuchen, mich davon zu überzeugen, dass nur das Mandylion Konstantinopel retten kann. Was hat der König dafür geboten, es zu leihen, und wie viel, um es zu erwerben? Man braucht große Mengen Gold, um dieses Reich zu retten, und der König von Frankreich ist sehr vermögend, aber er wird nicht sein eigenes Reich ruinieren, sosehr er seinen Neffen schätzen mag oder das Mandylion begehrt.«
»Wenn der Betrag beachtlich wäre, würdet Ihr dann einem Verkauf oder einer Leihgabe zustimmen?«
»Nein. Sagt dem Kaiser, dass ich es ihm
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