Die stummen Götter
sein, zerborsten, explodiert, mit einem anderen großen Himmelskörper kollidiert, und dies irgendwann kurz vor der Zeit, zu der die eigentliche Geschichte der Erdzivilisation be gann.
Und die Erde sollte also Besuch bekommen haben, so etwa um das Jahr dreitausend vor unserer Zeitrechnung, und dies von jenen Wesen, deren Heimat zerfallen war zu Tausenden und aber Tausenden größerer und kleinerer Gesteinsbrocken, die wir heute als Asteroiden bezeichnen und die eben auf jener freien Planetenbahn zwischen Mars und Jupiter um die Sonne kreisen. Auch die zernarbten Oberflächen unseres Erdmondes und des Mars sollten mit dieser vorgeschichtlichen Katastrophe im Zusammenhang stehen und entstanden sein durch den Ab sturz zahlloser kleinerer Planetentrümmer. Sogar die vielfachen Legenden von der Sintflut, die sich in allen irdischen Kultur kreisen beharrlich erhalten haben, sowie auch solche frühge schichtlichen Überlieferungen wie etwa das Gilgamesch-Epos setzte man dazu in Beziehung.
Als ich begann, mich mit dem Problem zu beschäftigen, schien mir an alledem durchaus etwas daran zu sein. Wer waren denn wirklich die Erbauer der Terrassen von Baalbek? Vermittels welcher Technologie hatte man jene gewaltigen Quader aus dem gewachsenen Fels geschnitten und an den Ort geschafft, an dem wir sie heute noch bestaunen können? Die Trennflachen so glatt, als sei wer mit einem riesigen Messer durch einen ebenso riesigen Butterklumpen gefahren. Und das Kulturdenkmal der Pyramide, das sich nachweisen ließ vom Ägyptisch-Mesepota- mischen Raum über Indien bis hinunter nach Südamerika? Die so schwierig zu deutenden Bauten auf dem Hochplateau der Anden und die gigantischen, nur aus großer Höhe als solche zu erkennenden Zeichnungen auf dem Boden der südamerikani schen Pampa?
Mesopotamien, Ägypten, Indien und Südamerika – dort wa ren dermaleinst die ersten Zentren menschlicher Hochkulturen entstanden, doch eigentlich nur im Mittelmeerraum hatten sich diese Anfänge fruchtbar weiterentwickelt, während in Indien weniger, in Südamerika jedoch sehr stark ausgeprägt alles nur in die Erstarrung und in die Legende geführt hatte. Nicht ein mal das Rad hatten die alten Inkas gekannt, dafür jedoch – die Mayas etwa – weit über das Erklärliche hinausgehende Kennt-nisse in der Astronomie besessen.
Die alten Götter jedoch, an die man geglaubt, die hatten ihren Wohnsitz stets auf den Gipfeln der Berge gehabt oder eben auf den Spitzen der Pyramiden. Dort wurden ihnen Opfer gebracht, dort brannten Feuer zu ihrem Gedenken, dort traf man sie auch an zum direkten Gespräch. Noch Moses stieg auf die Höhen des Sinai, um mit Jahve zu reden.
Schon San-Yan hatte das alles in seine Überlegungen einbe zogen, bis hin zu den Steinzeichnungen in den Tempelbauten von Palenque, hatte den rationalen Kern in den Überlieferun gen der Alten wörtlich genommen und ihre Götter mit den Tan-taliden gleichgesetzt, Wesen, die einen hohen Stand von Wissenschaft und Technik besaßen, die es verstanden hatten, die Probleme der Raumfahrt zu meistern und die nach der Kata strophe auf ihrem Planeten, oder in Erwartung dieser Kata strophe, nach einer neuen Heimstatt im Weltall suchten. Die Erde hatte es offensichtlich nicht recht zu sein vermocht, denn – nach San-Yans Hypothese – eben hier waren ihnen aus irgend einem Grunde gerade noch die Bedingungen der Hochgebirgs- räume erträglich gewesen. Vielleicht hatten ihnen die höheren Werte von Luftdruck und Temperatur in den Niederungen nicht zugesagt, oder die Strahlungsverhältnisse hatten ihnen zu schaf fen gemacht, oder was auch immer. Sie mochten wahrhaftig in der Lage des Tantalus gewesen sein, der inmitten des üppigsten Überflusses seinen Hunger nicht zu stillen und seinen Durst nicht zu löschen vermochte. Was dabei aber die Menschen an ging: zu den Göttern hinauf also, hinauf auf die Berge, und Pyramiden ihnen entgegengebaut, wenn auch nur als symbo lisches Zeichen menschlicher Annäherung.
San-Yan zu seiner Zeit jedenfalls wurde von den einen verlacht, von den anderen begeistert unterstützt. Sein stärkstes Argument jedoch war und blieb die geheimnisvolle Anlage auf Parzival, und daran zumindest konnte denn auch niemand rütteln.
Mein eigener Besuch auf Parzival fand gute achtzig Jahre nach Scholkows Entdeckung statt. Ich unternahm die Reise im Auftrag der ASTRA-NACHRICHTEN-AGENTUR, deren Chefredakteur damals eigentlich nur daran gelegen gewesen war, schon längst Bekanntes
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