Die Stunde Der Jaeger
Edelmut, den der Vampirismus verlieh. »Man beginnt, sich in gewisser Weise als Verwalter der Menschheit zu betrachten. Wir Vampire sind selbstverständlich die mächtigeren Wesen. Doch wir sind, was unser Ãberleben anbelangt, von euch Menschen abhängig. Genauso wie die Menschheit gelernt hat, dass sie nicht folgenlos die Regenwälder vernichten oder die Ozeane zerstören kann, können wir nicht ungestraft die Menschheit beherrschen. Was wir zweifellos könnten, wenn wir nicht so pflichttreu wären.«
Die Menschen waren also nichts weiter als eine Horde vom Aussterben bedrohter Affen? Und das warâs? Nein, Vampire wären niemals in der Lage, die Weltherrschaft an sich zu reiÃen, weil sie generell viel zu selbstverliebt sind.
SchlieÃlich machte Ariel die Ansage, auf die ich gewartet hatte: »Also gut, liebe Zuhörer, unsere Telefone sind jetzt geschaltet. Habt ihr eine Frage oder einen Kommentar für Gustaf? Jetzt ist die Gelegenheit dazu.«
Ich wollte unbedingt, dass Ariel mich in die Sendung holte, damit ich klarstellen konnte, welchen Mist der Typ verzapfte. Stattdessen wählte sie eine andere Anruferin. Eine schrecklich ehrfürchtige Frau meldete sich zu Wort.
»Oh, Ariel, danke, und vielen Dank, Gustaf, dass du dich mit uns allen unterhältst. Du weiÃt ja nicht, wie viel es bedeutet, solch einem alten und weisen Wesen wie dir zuzuhören. «
»Schon gut, meine Liebe, es ist mir ein Vergnügen«, sagte Gustaf gnädig.
»Ich begreife nicht, warum ihr â und damit meine ich sämtliche Vampire â nicht sichtbarer in Erscheinung tretet.
Ihr habt so viel mit angesehen, ihr verfügt über solch einen groÃen Erfahrungsschatz. Wir könnten so viel von euch lernen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn wir Menschen unter der Führung von Vampiren ständen â¦Â«
Ariel mischte sich ein. »Willst du damit sagen, dass Vampire deiner Meinung nach gute Staatsoberhäupter abgäben? «
»Natürlich â sie haben den Aufstieg und Niedergang von Nationen mit angesehen. Sie wissen besser als jeder andere, was funktioniert und was nicht. Sie sind die idealen Herrscher.«
GroÃartig. Eine verdammte Monarchieanhängerin. Oh, was ich dieser Frau sagen würde, wenn sie in meiner Sendung wäre â¦
Ariel war unerträglich diplomatisch. »Du bist eine Frau mit traditionellen Werten. Ich kann nachvollziehen, weshalb zeitlose Wesen wie Vampire dich ansprechen.«
»Da die Welt zweifellos besser dran wäre, wenn Vampire das Sagen hätten â warum ist es dann nicht der Fall? Warum ergreifen sie nicht die Macht?«
Gustaf lachte glucksend, offensichtlich auf distanzierte, herablassende Weise belustigt. »Oh, das könnten wir ganz gewiss, wenn wir es denn wollten. Aber ich glaube, du unterschätzt, wie scheu die meisten Vampire sind. Wir mögen das grelle Scheinwerferlicht der Ãffentlichkeit ganz und gar nicht.«
Ach ja?
Ariel sagte: »Ich möchte jetzt zu unserer nächsten Anruferin übergehen. Hi Sue, du bist auf Sendung.«
Sue â das war ich. Wow, ich hatte es geschafft! Wieder auf Sendung â gewissermaÃen jedenfalls. Ha! Also dann los â¦
»Hi Ariel. Vielen Dank, dass du meinen Anruf entgegengenommen hast.« Ich kannte meinen Text. Wie sich ein Fan anhörte, wusste ich. Ich hatte es schon oft genug von der anderen Seite aus gehört. »Gustaf, ich glaube nicht, dass alle Vampire unbedingt so sensibel und wohltätig sind, wie du behauptest. Sind sie Verwalter, die sich um die Regenwälder kümmern, oder Schäfer, die dafür sorgen, dass die Schafe gemästet und auf den Markt getrieben werden?«
Gustaf schnaubte ein wenig. »Jeder Vampir ist früher einmal ein Mensch gewesen. Die Besten von uns vergessen ihre Wurzeln niemals.«
Selbst wenn sie jene Wurzeln trocken saugen mussten ⦠»Aber wenn man den schlimmsten Menschen die Macht und Unsterblichkeit eines Vampirs verleiht, was erhält man dann? Das Dritte Reich â und zwar für immer. Und wisst ihr, warum Vampire meiner Meinung nach noch nicht die Weltherrschaft an sich gerissen haben?«
Mein Gott, klang ich patzig! Ich hasste es immer, wenn solche Leute bei mir in der Sendung anriefen. Griesgrämige Besserwisser.
»Warum?«, fragte Ariel.
»Theatralik.«
»Theatralik?«, wiederholte Ariel. Sie
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