Die Stunde Der Jaeger
nicht schon ausreichen würde, um mich in den Wahnsinn zu treiben, war da noch die Kennmelodie der Sendung: »Bela Lugosiâs Dead« von Bauhaus.
Nach ein paar Takten des Songs kam die Frau selbst live auf Sendung. Ihre Stimme war tief und erotisch, so verführerisch, wie es sich jede Femme fatale aus dem Film noir nur wünschen konnte. »Seid gegrüÃt, Mitreisende durch die Dunkelheit. Es ist an der Zeit, den Schleier zwischen den Welten zurückzuziehen. Lasst mich, Ariel, Priesterin der Nacht, Eure Führerin sein beim Erkunden der Geheimnisse, Rätsel und Schatten des Unbekannten.«
Ach, komm schon!
»Vampire«, fuhr sie fort, wobei sie das Wort in die Länge zog und mit einem falschen britischen Akzent aussprach. »Sind sie Opfer einer Krankheit, wie es uns gewisse sogenannte Experten glauben machen wollen? Oder sind sie Auserwählte, die als untote Boten der Vergangenheit dienen? Ist ihre Unsterblichkeit lediglich eine biologische Besonderheit â oder ist sie eine mystische Berufung?
Ich habe hier im Studio einen ganz auÃergewöhnlichen Gast. Er hat sich bereit erklärt, sein Heiligtum zu verlassen, um sich heute Abend mit uns zu unterhalten. Gustaf ist der Vampirgebieter in einer US-amerikanischen GroÃstadt. Er hat mich aus Gründen der Sicherheit gebeten, nicht zu sagen, um welche Stadt es sich handelt.«
Natürlich würde sie das nicht sagen.
Ich schmollte ein wenig. Mir war es nie gelungen, einen Vampirgebieter als Gast in meine Sendung zu holen. Falls dieser Gustaf denn tatsächlich ein Gebieter war. Falls er überhaupt ein Vampir war.
»Gustaf, danke, dass du heute Abend hier bist.«
»Es ist mir ein Vergnügen.« Gustaf hatte eine tiefe, melodiöse Stimme, die klang, als werde er im nächsten Moment über einen Witz lachen, den er jedoch nicht mitzuteilen gedachte. Sehr geheimnisvoll.
»Hm, darauf möchte ich wetten«, schnurrte Ariel. »Sag mal, Gustaf, wann bist zu zum Vampir geworden?«
»Im Jahr 1438. Es geschah in den Niederlanden, heute von den Leuten auch Holland genannt. Eine sehr gute Zeit und ein sehr guter Ort. So viel Handel, Verkehr, Kunst, Musik â so viel Leben. Ich war ein junger Mann, aussichtsreich, voller Lebensfreude. Dann traf ich ⦠sie .«
Ach ja, sie. Typische Dunkle-Lady-der-Nacht-Kost. Sie war erlesen, besaà mehr Intelligenz und Weltklugheit als jede andere Frau, der er jemals begegnet war. Mehr Brillanz, mehr Schönheit, mehr was auch immer. Sie hatte sein Herz im Sturm erobert, bla bla bla, und hier war er nun, gute sechshundert Jahre später, und die ganze Zeit über hatten sie ein Spielchen aus Verführung und Chaos gespielt, das sich wie etwas aus einem Groschenroman anhörte.
Es war zweifellos eine Geschichte voll Gefahr und Spannung. Hier drauÃen, allein in einer Hütte im Wald, mit einem brennenden Feuer im Ofen und dem Wind, der drauÃen durch die Kiefern fuhr, hätte ich eigentlich wie Espenlaub zittern sollen.
Am liebsten würde ich Ariel einmal richtig Angst machen!
Das brachte mich auf eine Idee. Eine richtig miese Idee.
Ich holte mein Handy vom Schreibtisch. Dann wählte ich die Nummer, die sich mir dank Ariels ärgerlicher Stimme ins Gedächtnis gebrannt hatte.
»Ariel, Priesterin der Nacht«, sagte ein Mann, der ganz gewöhnlich und gar nicht geheimnisvoll klang.
»Hi«, sagte ich. O mein Gott, kein Besetztzeichen! Ich sprach mit jemandem. Würde ich tatsächlich in der Sendung landen?
»Kannst du mir bitte deinen Vornamen sagen und woher du anrufst?«
Mist, ich hatte das nicht ordentlich durchdacht. »Ãhm, ja, klar. Ich heiÃe ⦠Sue. Und ich komme aus ⦠Albuquerque. «
»Und worüber möchtest du sprechen?«
Ja, worüber eigentlich? Mein Hirn hatte einen Aussetzer. Passierte so etwas, wenn jemand in meiner Sendung anrief? SchlieÃlich übernahm mein groÃes Mundwerk die Führung. »Ich möchte mit Ariel über Angst sprechen«, sagte ich.
»Hast du Angst vor Vampiren?«, fragte mich der Typ, der das Vorgespräch führte.
»Sicher.«
»Na schön, dann mach bitte dein Radio aus und warte einen Moment.«
ScheiÃe. Verdammte ScheiÃe. Ich schaltete das Radio aus.
Statt Warteschleifenmusik wurde mir übers Telefon Ariels Sendung eingespielt, damit ich nichts verpasste.
Gustaf sprach über den inbegriffenen selbstlosen
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