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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Mühe machte, mich für den Rückweg anzuziehen. Allerdings hätte ich das auch gar nicht gekonnt, denn ich hatte vergessen, ein
paar Kleider zu verstecken. Warum hätte ich das auch tun sollen, da es schließlich überhaupt nicht meine Absicht gewesen war, mich zu verwandeln und zu rennen? Es blieb mir nichts anderes übrig, als nackt zurückzugehen.
    Es fühlte sich richtig gut an, mit entblößter Haut zu gehen, die in der kalten Luft von einer Gänsehaut überzogen war. Irgendwie fühlte ich mich reiner. Freier. Ich machte mir keine Sorgen – ich folgte keinem Weg, keine Wanderpfade durchzogen diese Wälder. Niemand würde mich sehen in diesem abgelegenen Abschnitt des San Isabel National Forest in Südcolorado, der mitten in die Berge eingebettet war.
    Genau so wollte ich es.
    Ich hatte von allem weg gewollt. Der Nachteil daran war allerdings, dass es weniger gab, was mich mit der Welt verband. Ich hatte nicht mehr so viele Gründe, in meinem menschlichen Körper zu bleiben. Wenn ich mir Sorgen gemacht hätte, dass mich jemand nackt sehen könnte, hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht erst verwandelt. Vollmondnächte waren nicht die einzige Zeit, zu der Lykanthropen Wolfsgestalt annehmen konnten; wir konnten dies jederzeit tun. Ich hatte schon von Werwölfen gehört, die sich verwandelt hatten, in den Wald gelaufen waren und nie wieder zurückkehrten. Ich wollte nicht, dass mir das passierte. Jedenfalls hatte ich früher immer gedacht, dass ich das nicht wollte.
    Doch es wurde schrecklich einfach, zum Wolf zu werden und zu rennen, ob nun Vollmond war oder auch nicht.
    Eigentlich sollte ich an einem Buch schreiben. In den letzten beiden Jahren war mir so einiges zugestoßen: der
Start meiner Radioshow; ich hatte live auf Sendung bekanntgegeben, ein Werwolf zu sein, und die Leute hatten mir tatsächlich geglaubt; dann hatte ich vor einem Anhörungsausschuss des Senats ausgesagt und viel mehr Aufmerksamkeit erregt, als ich je gewollt hatte, auch wenn mir das vielleicht im Vorhinein hätte klar sein müssen – all das lieferte ausreichend Material für ein Buch, jedenfalls glaubte ich das. Memoiren oder so etwas. Wenigstens glaubte ein großes Verlagshaus, ich hätte genügend Stoff, und bot mir so viel Geld an, dass ich mir eine Auszeit von meiner Sendung nehmen und schreiben konnte. Ich war eine angesagte Berühmtheit, und wir alle wollten Kapital aus meinem Ruhm schlagen, solange er anhielt. Sich zu verkaufen hatte so traumhaft geklungen.
    Ich stellte etwa ein Dutzend »Best of Midnight Hour «-Folgen zusammen, die ohne mich ausgestrahlt werden konnten, sodass die Show selbst während meiner Auszeit weiterlief. Auf diese Weise würden die Leute nicht das Interesse verlieren, mein Name wäre weiter in aller Munde, und vielleicht würde es sogar ein paar neue Fans anlocken. Ich hatte vor, einen auf Walden zu machen und mich von der menschlichen Gesellschaft zurückzuziehen, um besser nachdenken zu können. Ich wollte den Bedrängnissen des Lebens entkommen, mich selbst befreien, um mich mit den tiefen philosophischen Fragen zu befassen, über die ich zweifellos nachgrübeln würde, während ich mein großes Meisterwerk verfasste.
    Das Problem war, man konnte der Gesellschaft zwar den Rücken kehren und lernen, autark zu sein, wie Thoreau es befürwortet hatte. Die Nase rümpfen angesichts des erbarmungslosen
Konkurrenzkampfes. Doch man entkam nicht sich selbst, den eigenen Zweifeln, dem eigenen Gewissen.
    Ich wusste noch nicht einmal, wie man damit anfing , ein Buch zu schreiben. Ich hatte seitenweise hingekritzelte Notizen, aber keine einzige fertige Seite. Auf Papier wirkte alles so unecht. Im Ernst, wo sollte ich anfangen? »Ich erblickte das Licht der Welt …« und dann zwanzig Jahre eines völlig gewöhnlichen Lebens beschreiben? Oder bei dem Überfall anfangen, der mich zum Werwolf gemacht hatte? Jene ganze Nacht war so kompliziert und schien ein etwas jäher Einstieg für eine Geschichte zu sein, die ja eigentlich einen optimistischen Grundton haben sollte. Sollte ich bei den Senatsanhörungen beginnen? Wie erklärte ich dann den ganzen Schlamassel, der mich überhaupt erst dorthin gebracht hatte?
    Also legte ich die Kleider ab, verwandelte mich und rannte in den Wäldern, um dem Problem aus dem Weg zu gehen. So sehr ich mich auch abgemüht hatte, mir meine

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