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Die Stunde Der Vampire

Die Stunde Der Vampire

Titel: Die Stunde Der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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glaube: Ich erforsche Krankheiten, die sich quantitativ bestimmen lassen.«
    Es klang allmählich so, als würden wir uns im Kreis drehen. Und es wurde langweilig. Ich hätte wissen sollen, dass Flemming keinen idealen Interviewpartner abgäbe. Jedes Mal, wenn ich mich mit ihm unterhalten hatte, hatte er ausweichend geantwortet. Ich würde mich ganz schön anstrengen müssen, um ihn aus der Reserve zu locken.
    Â»Erzählen Sie mir, wie Sie sich gefühlt haben, als Sie zum ersten Mal einem Werwolf in die Augen sahen.«
    Bis zu dem Zeitpunkt hatte er mich nicht angesehen. Das war ziemlich normal; in einem Studio gab es vieles, was einen Neuling ablenken konnte: Regler, Lämpchen und Knöpfe. Es war nur natürlich, den Gegenstand anzusehen, in den man sprach. Gewöhnlich neigten die Leute dazu, den Schaumstoffkopf des Mikrofons anzuschauen.
    Doch jetzt sah er mich an, und ich erwiderte seinen Blick mit auffordernd emporgezogenen Brauen. Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, forschend, musternd. Als sähe er mich zum ersten Mal oder in einem ganz neuen Licht. Als sei ich auf einmal eine Versuchsperson im Rahmen seiner Forschungen, und er vergleiche mich mit den statistischen Werten, die er gesammelt hatte.
    Es war ein herausforderndes Starren. Er roch völlig menschlich, ein wenig nach Schweiß, ein wenig nach der Wolle seines Jacketts; er hatte keinen Hauch Übernatürliches
an sich. Doch mich überkam das jähe Verlangen, ihn warnend anzuknurren.
    Â»Ich begreife nicht, inwieweit das relevant sein könnte«, sagte er.
    Â»Natürlich ist es nicht relevant, aber diese Sendung soll eigentlich Unterhaltung sein. Ich bin neugierig. Wie wäre es mit einer nüchternen, klaren Tatsache: Wann haben Sie zum ersten Mal einem Werwolf in die Augen geblickt?«
    Â»Das muss wohl etwa fünfzehn Jahre her sein.«
    Â»Das war vor Ihrer Zusammenarbeit mit dem Center for the Study of Paranatural Biology?«
    Â»Ja. Ich war mitten in meiner Assistenzzeit in der Pathologie in New York. Wir hatten eine anomale Blutprobe eines Autounfallopfers bekommen. Der Bericht der Notaufnahme war schrecklich – zerquetschter Brustkorb, kollabierte Lunge, Organrisse. Eigentlich hätte der Mann nicht überleben sollen, doch er tat es. Irgendwie hatten sie ihn wieder zusammengeflickt. Ich sollte das Blut auf Drogen und Alkohol überprüfen. Ich fand weder noch, aber die Anzahl der weißen Blutkörperchen war auffällig für eine Probe ohne sonstige Anzeichen von Krankheit oder Infektion. Am nächsten Tag ging ich auf die Intensivstation, um den Patienten zu besuchen, eine weitere Blutprobe zu entnehmen und nach Umständen zu suchen, die für die Anomalie verantwortlich sein könnten. Er war nicht dort. Man hatte ihn von der Intensivstation verlegt, weil er, zwei Tage nach seinem schrecklichen Unfall, bereits wieder aufrecht sitzen konnte, ohne Beatmungsgerät, ohne Sauerstoff, als hätte er bloß eine Gehirnerschütterung oder dergleichen gehabt. Ich kann
mich noch daran erinnern, wie ich mir seine Fiebertabelle ansah und dann zu ihm aufblickte, wobei mir der Mund vor Verblüffung offen stand. Und er lächelte. Beinahe, als wäre er am liebsten in Gelächter ausgebrochen. Er schien mich geradezu aufzufordern herauszufinden, was los war. Damals wusste ich nicht, was er war, aber ich werde nie den Blick in seinen Augen vergessen. Er war der Einzige, den es nicht schockierte, dass er noch am Leben war. Dieser Ausdruck in seinen Augen machte mir deutlich, dass es trotz all meines Wissens, trotz all meiner Studien und Fähigkeiten dort draußen eine ganze Welt gab, von der ich nichts ahnte.«
    Â»Und als Sie diesen Blick das nächste Mal gesehen haben« – die Herausforderung, den Aufruf, die eigene Dominanz unter Beweis zu stellen, wie der Blick, den ich ihm gerade eben geschenkt hatte – »da haben Sie ihn wiedererkannt.«
    Â»Stimmt.«
    Â»Haben Sie jemals mehr über ihn in Erfahrung bringen können? Hat er Ihnen je gesagt, was er war?«
    Â»Nein. Am nächsten Tag hat er das Krankenhaus verlassen. Da er nicht krankenversichert war, konnte ich ihn nicht ausfindig machen. Wahrscheinlich hielt er es nicht für nötig, eine Krankenversicherung zu haben.«
    Ich hatte Werwölfe sterben sehen. Man musste ihnen das Herz aus dem Leib reißen, den Kopf abreißen oder sie mit Silber vergiften.
    Â»Sie

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