Die Stunde Der Vampire
hervorrief, war einschüchternd. Ich stemmte den Ellbogen gegen die Tür und stützte den Kopf auf meine Hand.
Bradley spitzte die Lippen und warf mir einen raschen Blick zu. »Sie hat nur Ihr Bestes im Sinn. Sie sorgt nur für Ihre Sicherheit.«
»Sie glaubt, ein Wolf braucht einen Alpha, was? Will nicht, dass ich ohne Leine herumlaufe?«
Er antwortete nicht. So selbstlos er Alette auch klingen lieÃ, meine Worte hatten einen wahren Kern. Ich starrte aus dem Fenster, während wir wieder einmal an einem neoklassizistischen Bauwerk vorbeifuhren. Ich fragte mich, was das nun schon wieder sein mochte.
»Na gut«, sagte er. »Eine Minute. Mehr nicht. Wenn Sie mir ausbüchsen, kann es gut sein, dass Alette Sie nie wieder aus dem Haus lässt.«
Ich schenkte ihm ein schmallippiges Lächeln. »In Ordnung.«
Er wartete am Bordstein und lieà den Motor laufen. Bloà um mir zu zeigen, dass die Uhr tickte. Ich lief los.
Vielleicht war Luis da, vielleicht auch nicht. Vielleicht wollte ich nur sicherstellen, dass der Ort tatsächlich existierte, dass ich letzte Nacht nicht geträumt hatte.
Es war echt. Bei Tageslicht glitzerte das Silber auf dem Schild über dem Restaurantteil des Gebäudes. Eine Speisekarte war mit Tesafilm ans Fenster geklebt. Ich stieg die Treppe hinab.
Die Tür zum unteren Teil stand offen, sodass eine leichte Brise ins Hausinnere drang. Ich spähte hinein. Es waren nur ein paar Leute da, vor dem Ansturm derjenigen, die nach der Arbeit oder zum Abendessen kamen. Ein Mann saà an einem Tisch, trank einen Kaffee und las Zeitung, ein Pärchen unterhielt sich an der Bar, und ein alter Mann saÃ
allein an einem Tisch mit einem Stuhl in der Ecke, in der die Musiker am vergangenen Abend gespielt hatten. In einen abgewetzten, fleckigen Mantel gekauert, starrte er in ein Glas, das er mit beiden Händen umklammert hielt. Er war ein Werwolf; das war mir klar, ohne ihn zu riechen oder sonst etwas an ihm zu wittern. Er hatte so viele graue Haare, er sah einfach danach aus. Drahtige stahlgraue Haare umgaben seinen mit Leberflecken übersäten Kopf und mündeten in dicken Koteletten, die seinen Hals entlang und unter den Ohren wuchsen, die leicht spitz zuliefen. Ich erhaschte einen Blick auf verlängerte Eckzähne, die auf seiner Unterlippe ruhten. Wenn er auf der StraÃe an kleinen Kindern vorbeiging, jagte er ihnen wahrscheinlich eine Heidenangst ein.
Hier war jemand, der schon sehr, sehr lange Werwolf war und einen GroÃteil dieser Zeit in Wolfsgestalt verbracht hatte. Ich hatte davon gehört, es aber noch nie mit eigenen Augen gesehen: Sein Körper war dabei zu vergessen, wie man ein Mensch war. Hätte ich keine Ahnung von Werwölfen gehabt, hätte ich bei seinem Anblick vielleicht gedacht, er sei schon recht alt und leide an Arthritis. Stattdessen ging ich davon aus, einen Blick auf goldgelbe Augen zu erhaschen, sollte er zufällig aufblicken.
Irgendwie schaffte ich es zur Bar. Als ich dagegenprallte, wurde mir klar, dass ich ihn angestarrt hatte. Ich schüttelte den Kopf, um das Bild des alten Mannes loszuwerden.
»Du bist Kitty, stimmtâs?«, sagte der Barkeeper. Es war derselbe Typ wie letzte Nacht, der Jüngling. Da ich ihn mir jetzt genauer ansehen konnte, war mir klar, dass er kein
Wolf war, auch kein Jaguar wie Luis. Ich hatte keine Ahnung, was zum Teufel er war.
»Ja, hi!«
»Jack.« Er streckte mir eine Hand entgegen, die ich ergriff. Er drückte ein wenig zu fest zu, mit dem Anflug eines Grinsens. Versuchte, etwas zu beweisen. Er war stark â stärker, als ich angesichts seiner GröÃe vermutet hätte. Allerdings traf das auf mich ebenfalls zu. Ich lieà seine Hand los und lehnte mich auf die Theke, als habe ich nichts bemerkt.
»Was darf es denn sein?«
»Nichts, danke. Ich wollte nur eine Nachricht für Luis hinterlassen.« Ich nickte in Richtung des Alten an dem Tisch. »Wer ist das?«
Jack stützte sich mit den Ellbogen auf der Bar ab und zog verschwörerisch eine Braue in die Höhe. »Man nennt ihn den Nazi«, flüsterte er.
Ich blinzelte ihn verblüfft an.
»Ich weià nicht, ob er wirklich einer ist oder nicht«, fuhr Jack fort. »Aber Ahmed sagt, er habe tatsächlich im Zweiten Weltkrieg gekämpft und dass er Deutscher sei. Wer wei� Er kommt jeden Tag um vier hierher, trinkt seinen Schnaps und geht wieder, ohne einen
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