Die Stunde Der Vampire
Ton gesagt zu haben.«
»Ob er nun einer ist oder nicht, er hat bestimmt atemberaubende Geschichten zu erzählen. Ich frage mich â¦Â« Zu mehr kam ich nicht, denn der alte Mann setzte das Glas an den Mund, trank den letzten Rest Flüssigkeit, stand auf, zog sich den Mantel fester um die Schultern und pirschte davon. So viel dazu.
Ich wandte mich wieder Jack zu. »Wie sieht es bei dir aus? Hast du ein paar gute Geschichten auf Lager?«
»Ich? Ich bin bloà ein Junges«, sagte er grinsend. »Gib mir ein paar Jahre Zeit.«
»Möge dein Leben so langweilig sein, dass du gar keine sammelst.«
»Wo bleibt denn da der Spa�«
Spa� Er erntete einen ärgerlichen Blick von mir.
Ich hinterlieà eine Nachricht für Luis. Im Grunde hatte ich nichts zu sagen auÃer »Hi, ich binâs«. Es fühlte sich an, als sei ich wieder auf der Highschool, was irgendwie an sich schon Spaà machte. Ich hatte mich seit langer Zeit nicht mehr so heftig in jemanden verknallt â jedenfalls nicht jenseits der Kinoleinwand. Mir war schwindelig, und ich kam mir jung und töricht vor â und völlig zerstreut, was bedeutete, dass der Zeitpunkt denkbar ungünstig war. Eine Senatsanhörung war eigentlich eine ernste Angelegenheit, doch ich stellte mir die ganze Zeit Luis im Bett vor.
Bradley brachte mich ohne weitere Umstände zu Alettes Haus zurück.
Bevor ich am Morgen aufgebrochen war, hatte Emma mir ein Kuvert aus edlem Papier gebracht, auf dem mein Name in schnörkeliger Schreibschrift stand. Darin steckte eine quadratische Karte mit ein paar handgeschriebenen Zeilen, die mir mitteilten, es wäre Alette ein Vergnügen, wenn ich ihr am Abend beim Essen Gesellschaft leistete. Es klang sehr nach alter Schule, wie etwas aus einem Anstandsbuch von Emily Post.
Ich hatte noch nie mit einem Vampir zu Abend gegessen, und ein Teil von mir fürchtete sich davor herauszufinden,
was serviert werden würde. Meine Fantasie ging ein wenig mit mir durch. Doch dies war die Gelegenheit, mich mit Alette zu unterhalten. Vielleicht konnte ich sie ein wenig aus der Reserve locken.
Ich fragte mich, ob sie erwartete, dass ich mich fürs Abendessen herausputzte, ganz im Sinne der viktorianischen Tradition, Seidenkleider und Anzüge im eigenen Salon. Zu der Anhörung hatte ich eine legere Hose und eine Bluse getragen; ich sah also nicht allzu schäbig aus. Aber in Alettes Gegenwart würde ich mir farblos vorkommen. Anderseits würde ich mir neben Alette immer so vorkommen, egal was ich trug.
Schlussendlich zog ich mich nicht um. Wenn eine legere Hose und Bluse gut genug für den Senat waren, waren sie gut genug für die Vampirin.
Ich hoffte, Leo würde uns nicht Gesellschaft leisten.
Nach einem Nickerchen machte ich mich frisch, und Emma brachte mich in ein Esszimmer in einem anderen Teil des Erdgeschosses. Wie der Salon war auch dieses Zimmer klassisch englisch gehalten, mit holzvertäfelten Wänden, an denen viele Gemälde hingen, eine Reihe über der anderen, Landschaften und Stillleben von toten Vögeln und Jagdgewehren und ein paar Porträts von finsteren alten Männern und grimmig dreinblickenden Damen in prunkvollen Kleidern, die mit Volants und Spitze besetzt waren. Noch mehr Porträts, wie die im Salon und die Fotos im Korridor im ersten Stock. Waren es alte Freunde? Verwandte?
Ein langer Tisch stand in der Mitte des Zimmers. An der Tafel hätten ohne weiteres zwanzig Leute sitzen können, und im ersten Moment dachte ich, dies würde wie eine
jener Komödien sein, in denen je eine Person an einem Ende saÃ, und sie einander zurufen mussten, wenn einer das Salz brauchte. Doch nein, Alette stand an dem Stuhl am Tafelende, und gedeckt war am Platz zu ihrer Rechten.
»Willkommen«, sagte sie. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Danke für die Einladung.« Ich blickte mich nervös um, doch Alette war allein. Kein Leo. Ich entspannte mich ein wenig. »Nicht dass Sie mir eine andere Wahl gelassen hätten, wo doch Bradley den ganzen Tag über ein wachsames Auge auf mich hatte.«
Sie ignorierte den Seitenhieb und wies mit einem eleganten Wink auf den Stuhl. »Bitte, setzen Sie sich.«
An dem Tisch befand sich nur ein einziges Gedeck. Die polierte Mahagonifläche vor ihrem Stuhl war leer.
Eigentlich hätte ich erleichtert sein sollen.
Sie sagte: »Ich habe mir die Freiheit genommen, die
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