Die Stunde der Wahrheit
Wasser auf den gewachsten Holzboden tropfte. Nacoya hatte sich von ihrer Schlafmatratze erhoben. In gereizter Stimmung befahl die alte Frau Maras beiden Zofen, sich nicht mehr mit den zwei Truhen abzugeben, die in die neuen Gemächer geschafft werden mußten, sondern sich sofort um ihre Herrin zu kümmern.
Die Lady der Acoma wehrte die beiden Zofen ab und schickte sie zurück zum Packen der Truhen. Obwohl sie wußte, daß Nacoya überreizt war, gab es keinen Grund für sie, sich nach der Beerdigung in aller Eile umziehen und erfrischen zu müssen. Jetzt brauchte sie erst einmal die Sicherheit der Gemächer des Kriegsherrn.
Mara wartete nur so lange, bis sie ihre tropfenden Haare geschüttelt hatte, so daß sie lose über die Schultern hingen. Dann nickte sie Arakasi zu, der die Urne mit Papewaios Überresten neben die Kleidertruhen stellte und nach vorn trat.
»Geht und sucht Desio«, trug Mara dem Mann auf, der jetzt die Rolle eines Kriegers spielte. »Sagt ihm, wir würden Diener benötigen, um uns und unseren Besitz in die neuen Gemächer bringen zu lassen, die der Lord der Minwanabi den Acoma zuteilt.«
Arakasi verneigte sich. Er ließ nicht im geringsten erkennen, daß der Auftrag möglicherweise anders als nur wörtlich gemeint war. Schweigend ging er; ihm war klar, daß Mara wußte, er würde Desio finden – doch nicht auf dem direktesten Weg. Der Supai würde seine Kontaktpersonen suchen und mit etwas Glück mit genau den Informationen zurückkehren, die Mara über Teani benötigte.
Bei Sonnenuntergang besserte sich das Wetter etwas, und mit dem Nachlassen des Regens wurden die Gäste des Lords der Minwanabi unruhig durch die erzwungene Untätigkeit während der Zeit der Besinnung. Einige von ihnen versammelten sich in den größeren Innenhöfen, um dort Mo-Jo, ein Kartenspiel, zu spielen, während andere Scheinkämpfe veranstalteten, die von den geübteren Kriegern der Ehrenwachen ausgetragen wurden und über die die anderen hohe Wetten abschlossen. Aufgrund von Papewaios plötzlichem Tod nahm Mara verständlicherweise nicht teil; doch da sich auch Mitglieder des Minwanabi-Haushalts beiläufig unter die Gäste mischten und die anwesenden Lords sich ungezwungen gaben, konnte Arakasi hier hervorragende Informationen erhalten. Mara beobachtete ihn von dem nur leicht angelehnten Laden ihrer neuen Gemächer aus, doch sie konnte nicht beurteilen, ob der Supai Kontaktpersonen im Gefolge eines jeden wichtigen Lords hatte oder ob der Mann nur außerordentlich geschickt darin war, selbst loyale Männer in zwanglose Gespräche zu verwickeln. Wie auch immer er sich seine Informationen beschaffte, als Arakasi bei Sonnenuntergang mit einem zweiten Bericht zurückkehrte, war sein Wissen über Teani ausgesprochen detailliert.
»Ihr hattet recht, Lady. Ganz sicher ist Shimizu der Liebhaber Teanis.« Arakasi nahm dankbar Thyza-Brot und köstlich geräuchertes Fleisch von einem Tablett entgegen, das Nacoya ihm reichte. Mara hatte sich entschieden, das Abendessen in ihren Räumen einzunehmen, und den Supai eingeladen, ihr Gesellschaft zu leisten.
Die Lady der Acoma beobachtete mit ausdruckslosem Gesicht, wie Arakasi Needra-Fleisch auf dem Brot verteilte. Seine geschickten Finger rollten das Resultat zu einer Rolle zusammen, die er mit der Haltung eines geborenen Edlen aß. »Mehr noch«, fuhr er fort, sich nur zu bewußt, daß Mara verstehen würde. »Teani hat den Truppenführer der Minwanabi an der Angel wie einen Fisch. Er folgt ihr, sobald sie daran zieht, obwohl seine Vernunft ihm eigentlich davon abraten müßte.«
An dieser Stelle unterbrach der Supai die Mahlzeit. »In der vergangenen Nacht stritten sich die beiden Geliebten.« Er grinste. »Der Diener, der die Lampen anzündete, hörte zufällig mit und blieb da, um die Dochte zu säubern. Die Unterhaltung faszinierte ihn. Der Mann teilte sich meinem Agenten nur zögernd mit, da der Name ihres Lords erwähnt worden war, doch wie immer ihr letztes Treffen auch gewesen sein mag, Teani gibt sich seither so schnippisch wie eine Hexe. Wir können also sicher sein, daß Shimizu alles tun wird, um ihre Gunst wiederzugewinnen.«
»Alles?« Mara hatte genug vom Essen und winkte Nacoya herbei. Sie brachte feuchte Tücher zur Reinigung von Gesicht und Händen. »Das eröffnet uns doch einige Perspektiven, nicht wahr?« Während Arakasi sich weiter bediente, ließ Mara ihren Gedanken freien Lauf: Shimizu hatte Papewaio erschlagen, und es war Teil eines Verrats gewesen;
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