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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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bereitete ihr eine unsägliche Qual, sich jemand anderen an Papes Stelle vorzustellen. Die praktische Seite in ihr funktionierte nichtsdestotrotz. Ihr nächster Schritt war wieder sicher, und ihre Entscheidung war gefallen. Arakasi würde den Umhang der Ehrenwache tragen müssen, denn um der Bedrohung durch die Minwanabi begegnen zu können, war jede Information notwendig, die er hatte sammeln können.
    Mara trat zu der Bahre. Sie senkte den scharlachroten Schilfwedel, und die Gäste verteilten sich um Papewaios Leiche in einem Kreis, der nur im Osten und Westen unterbrochen war. Die in Reih und Glied aufgestellten Krieger der Acoma warteten an Papewaios Kopfseite, und jeder von ihnen richtete die Schwertspitze gegen den Boden, als Zeichen für einen gefallenen Krieger.
    Die Trommeln dröhnten und verstummten wieder. Mara erhob ihre Stimme, um die eigentliche Zeremonie zu eröffnen. »Wir haben uns hier versammelt, um der Taten Papewaios zu gedenken, Sohn des Papendaio, Enkel des Kelsai. Allen Anwesenden soll kundgetan werden, daß er den Rang eines Truppenführers der Acoma innehatte, eine Position, die er sich durch viele verschiedene Ehren verdient hatte.«
    Mara hielt inne und schaute nach Osten. Jetzt schloß ein weißgewandeter Priester Chochocans die kleine Lücke im Kreis; der Mann symbolisierte das Leben und trug Armbinden aus Thyza-Halmen. Die Lady der Acoma verneigte sich in Ehrfurcht; dann zählte sie die Taten auf, die Papewaio in Ausübung seines Dienstes vollbracht hatte und die der Erinnerung wert waren, angefangen vom ersten Tag seines Eides vor dem Natami der Acoma. Während sie sprach, ließ der Priester den Mantel fallen. Nackt bis auf die Symbole seines Amtes tanzte er zur Feier des starken, mutigen Kriegers, der in seiner Prunkrüstung auf der Bahre lag.
    Die Liste von Papewaios Ehren war lang. Ein gutes Stück vor dem Ende mußte Mara um ihre Beherrschung kämpfen. Doch auch, als ihre Aufzählung kurz ins Stocken geriet, wurden die Gäste weder unruhig, noch schienen sie gelangweilt. Leben und Tod sowie der Erwerb von Ruhm auf eine dem Ehrenkodex entsprechende Weise zählten zu den wichtigsten Dingen der tsuranischen Zivilisation, und die Taten dieses ganz besonderen Dieners der Acoma waren beeindruckend. Rivalitäten, Haß, selbst Blutfehden endeten vor der Grenze des Todes, und solange der Priester den Tanz zur Erinnerung an Papewaio aufführte, anerkannten der Lord der Minwanabi und jeder andere vornehme Gast das Ansehen des Verschiedenen.
    Doch auch die besten Fähigkeiten eines Kriegers konnten ihm keine Unsterblichkeit bescheren. Schließlich kam Mara zu der Nacht, als die Klinge eines Diebes eine brillante Karriere beendet hatte. Der Tänzer neigte sich vor der Bahre zur Erde, und die Lady der Acoma wandte sich nach Westen, wo ein rotbemäntelter Priester in der kleinen Lücke des Kreises stand. Sie verbeugte sich respektvoll vor dem Stellvertreter Turakamus, und der Priester im Dienst des roten Todesgottes warf seinen Umhang fort.
    Er war mit einem roten Totenkopf maskiert, denn die Sterblichen lernten das Gesicht des Todes erst kennen, wenn sie an der Reihe waren, den Roten Gott zu grüßen. Die Haut des Priesters war rotgefärbt, und seine Armbinden bestanden aus Schlangenhaut. Wieder erhob Mara ihre Stimme. Den Rest brachte sie mit tadelloser Beherrschung zu Ende, denn ihr Leben hing jetzt von ihrer Fähigkeit ab, das Große Spiel zu spielen. Mit schallender Stimme beschrieb sie den Tod eines Kriegers. Und mit echter tsuranischer Neigung zum Theatralischen und Zeremoniellen verwandelte sie die bloße Aufzählung zu einer Auszeichnung der Ehren Papewaios.
    Der Priester Turakamus tanzte währenddessen den Tod des Kriegers – mit Kühnheit, Ruhm und Ehre, die in der Erinnerung weiterlebten. Nachdem er seinen Tanz beendet hatte, zog er ein schwarzes Messer hervor und durchtrennte die scharlachrote Kordel, die Papewaios Handgelenke miteinander verband. Die Zeit des Fleisches war vorüber, jetzt mußte der Geist für den Tod von den Fesseln befreit werden.
    Mara schluckte; ihre Augen waren trocken und hart. Sie nahm aus den Händen des Priesters Turakamus die flammende Fackel entgegen, die am Fuß der Bahre gebrannt hatte, und hob sie zusammen mit einem stillen Gebet an Lashima gen Himmel. Jetzt mußte sie Papewaios Nachfolger benennen, den Mann, der seine früheren Pflichten übernehmen würde, damit sein Geist von jeglicher sterblicher Verpflichtung befreit war. Zutiefst traurig schritt

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