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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Gespräche zwischen den Soldaten der Ehrengarde des Kriegsherrn mit angehört und trugen Gerüchte bis in die Baracke. Man sollte die Wut der Mächtigen niemals auf die leichte Schulter nehmen, und ich füge mich der Weisheit eines solchen Rats.«
    Mara setzte zu einer hitzigen Antwort an, doch dann erinnerte sie sich an den Attentäter und hielt sich zurück. Bei näherer Betrachtung erkannte sie, daß Keyoke und Papewaio versuchten sie zu warnen, ohne die Grenzen der Loyalität zu verletzen. Sie hatten schon früh die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß Buntokapi während der Nacht voller Wut nach Hause zurückkehren könnte. In seinem Zorn hätte er nur zu leicht ihr gegenüber gewalttätig werden können, ein schändliches Verhalten zwar, aber nicht unwahrscheinlich bei einem so jähzornigen, an Ringen und täglichen Waffenübungen gewohnten jungen Mann, wie er es war. Die Krieger hatten jedoch dem Lord die Treue geschworen, und so hätte keiner von ihnen es wagen dürfen, zwischen ihn und die Mistress zu treten, ohne nicht auf der Stelle sein Leben und sämtliche Ehre zu verlieren. Doch Pape war schnell mit dem Schwert und erinnerte sich nur zu gut an die Ereignisse in der Hochzeitshütte; bei dem geringsten Anzeichen von Gewalt gegen Mara wäre Lord Buntokapi innerhalb weniger Atemzüge gestorben. Und den Griff des Roten Gottes könnte nichts und niemand mehr lösen, gleichgültig, wieviel Schande eine unehrenhafte Bestrafung über den schuldigen Diener bringen würde.
    Mara lächelte trotz der großen Anspannung. »Ihr habt Euch die schwarze Binde bereits einmal verdient, Pape. Doch solltet Ihr Euch entscheiden, den Zorn der Götter ein zweites Mal zu riskieren – ich werde mich den ganzen Tag im Hain der Besinnung aufhalten. Schickt meinen Lord dorthin, wenn er nach Hause kommt und nicht gleich die Garnison der Acoma für den Krieg rüstet.«
    Papewaio verbeugte sich; er war innerlich erfreut und erleichtert, daß die Lady der Acoma seine Wache stillschweigend befürwortete. Er verlegte seinen Posten vor den Eingang zum Hain der Besinnung und harrte dort aus, während die Morgendämmerung dem Sonnenaufgang wich und das Licht des frühen Morgens die weiten Besitztümer der Acoma in hellem Glanz erstrahlen ließ.

    Die Mittagshitze kam und ging in schwüler Stille, fast so wie immer. Im mit Steinen eingefaßten Viereck des heiligen Teiches spiegelten sich ein wolkenloser Himmel und die sich rankenden Blätter eines nahen Busches. Ayaki schlief in seinem Körbchen unter dem Baum neben dem Natami der Acoma; er spürte nichts von der Gefahr, die sein junges Leben bedrohte. Mara war jedoch nicht in der Lage, ihren inneren Frieden zu finden, und so ging sie hin und her oder meditierte. Selbst die Disziplin des Tempels konnte nicht verhindern, daß ihre Gedanken immer wieder zu Buntokapi zurückkehrten, in dessen Händen jetzt das Schicksal der Acoma lag. Er war als Anasati geboren, hatte aber geschworen, die Ehre jener Ahnen zu schützen, die zu den Feinden seines Vaters zählten, und so konnte man nicht voraussagen, wem seine Treue wirklich gehörte. Maras eigenes Verhalten hatte ihn bestärkt, seine Leidenschaft auf die Konkubine Teani zu richten; und alle, Keyoke, Nacoya, Jican und die anderen, verabscheuten ihn wegen seiner Exzesse. Das Herrenhaus war sein Grundbesitz und sein Wohnsitz, doch in dem Haus in Sulan-Qu war er zu Hause. Mara biß sich auf die Lippe und blieb bei dem Natami stehen, wo sie vor nicht einmal zwei Jahren darauf verzichtet hatte, ihr Erbe selbst zu verwalten. Sie hatte daraufhin eine komplizierte Falle errichtet, die auf Buntokapis Eid und das tsuramsche Konzept der Ehre baute. Es war eine zerbrechliche Basis, auf die sie ihre Hoffnungen gestellt hatte, denn bei all seinen Fehlern war Buntokapi nicht dumm. Die Schatten wurden erst kleiner, dann wieder länger, und die Li-Vögel begannen in der kühleren Nachmittagsluft zu singen. Mara saß am heiligen Teich und spielte mit einer Blüte, die sie von einem nahen Busch gepflückt hatte. Die Blütenblätter waren blaß und außerordentlich fein; sie konnten – so wie sie – mit einem kurzen Handgriff zerdrückt und zermalmt werden. Die Bediensteten mochten glauben, daß sie sich in den heiligen Hain zurückgezogen hatte, weil sie um die Erlösung von der Schande beten wollte, die ihr Ehemann auf ihr Haus geladen hatte. Tatsächlich war sie dorthin gegangen, um nicht ständig die Furcht in ihren Augen sehen zu müssen, denn sollte der

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