Die Stunde der Wahrheit
ist anderweitig beschäftigt, habe ich gehört, seit ein Angriff auf seine reichste Handelskarawane die Verteidiger bis auf den letzten Mann vernichtet hat. Er verlor all seine Waren und zweihundert Krieger an eine überaus brutale Bande von Dieben.« Der Lord der Ekamchi lächelte, denn er wußte ebensogut wie Mara, daß ein solches Gemetzel nicht von gewöhnlichen gesetzlosen Männern hätte durchgeführt werden können. Irgendeines der großen Häuser forderte die Anasati unverfroren heraus; und nur eines von ihnen lag in einer Blutfehde mit den Acoma, die Tecuma zu einem unfreiwilligen Bündnis gebracht hatten.
»Betet zu den Göttern um die Gesundheit Eures Sohnes«, höhnte der Lord der Ekamchi.
Er ging davon, und Mara verpaßte die Gelegenheit zu einer Erwiderung. Die Tatsache, daß ein so geringer Lord es wagen konnte, sie zu beleidigen, war ein großer Schock und gemahnte sie gleichzeitig daran, daß in den Augen ihrer unbedeutendsten Feinde ihr Tod bereits beschlossene Sache war.
Sieben
Ankunft
Der Kriegsherr erschien.
Er trat im Klang einer Flötenfanfare ein, und sein goldgesäumtes weißes Gewand glänzte im Sonnenlicht. Zwei schwarzgekleidete Gestalten gingen an seiner Seite. Als die Gäste sie sahen, wurden sie augenblicklich still. Selbst der Lord der Minwanabi zögerte, bevor er den Mann begrüßte, der nach dem Kaiser der mächtigste im ganzen Land war. Als Jingu einen Schritt nach vorn trat, um sich zu verbeugen, drückte seine Haltung eher Unterwürfigkeit und Ergebenheit aus als Freude. Die Gegenwart der schwarzbemäntelten Erhabenen hatte häufig diese Wirkung auf Menschen. Niemand wußte, was die Magier dachten, und was sie taten, wurde von niemandem in Frage gestellt. Sie existierten jenseits des Gesetzes, und ihre einzige Aufgabe bestand darin, dem Kaiserreich zu dienen. Daß Almecho zwei von ihnen zu seiner Geburtstagsfeier mitgebracht hatte, berührte jeden einzelnen anwesenden Gast; kein Plan konnte als sicher gelten, und kein Bündnis war wirklich zuverlässig, solange die Magie wie ein wildes Gebilde in ihrer Mitte war. Einige wisperten, daß Almecho einige der Schwarzen Roben für seine Sache gewonnen hätte, andere behaupteten, daß ein großer Teil der Politik des Kriegsherrn in der Stadt der Magier geschmiedet würde.
Mara beobachtete die formelle Begrüßungszeremonie von einem unauffälligen Platz in einer Ecke aus. Sie war irgendwie erleichtert, die Erhabenen an Almechos Seite zu sehen, denn noch etwas anderes als nur ihre Not würde die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen … zumindest für eine Weile. Sie war es leid, mit den beißenden Bemerkungen der anderen Gäste umgehen zu müssen, und es machte sie krank, daß der Lord der Ekamchi immer wieder die Abwesenheit Tecumas betonte. Die Gegenwart der Erhabenen würde lange Schatten auf die Intrigenspiele werfen; sie konnten die Künste der Magie ins Spiel bringen und Gerechtigkeit rasch und ohne Aufschub widerfahren lassen – ihren Worten war die Kraft des Gesetzes inne. Sie konnten Jingu in seinem eigenen Haus vernichten, wenn sie glaubten, er würde das Kaiserreich gefährden, und Desio würde sich nur vor ihnen verneigen und den rituellen Satz sprechen: »Euer Wille geschehe, Erhabene.«
Doch es war Brauch, daß die Erhabenen sich vom Spiel des Rates fernhielten, und so mußte es ein anderer Schachzug sein, der die beiden Magier herführte. Mara lächelte in sich hinein. Was immer der Grund für ihr Erscheinen war, die Wirkung war zweischneidig: Ihre Feinde hatten jetzt andere Sorgen, doch gleichzeitig gewann auch der Lord der Minwanabi eine freiere Hand, um auf ihren Tod hinzuarbeiten, da die Gäste sich auf etwas anderes konzentrierten.
Doch noch während Mara die gesamte Bedeutung in ihrem Kopf abwog, begannen die Gäste sich entsprechend ihrem Rang zu versammeln, um dem Kriegsherrn ihre Ehrerbietung zu bezeugen. Mara und Nacoya würden schon bald aus dem Schutz ihrer Ecke treten müssen, denn die Acoma zählten zu den ältesten Namen im Kaiserreich, und sie waren diejenigen, die direkt nach den ursprünglichen Fünf Großen Familien kamen. Dennoch zögerte die Lady etwas, während sich die Keda und Tonmargu aufstellten. Dann, als auch der Lord der Xacatecas sich aufmachte, seinen Platz in der Reihe einzunehmen, bahnte sie sich ihren Weg durch die Menge.
»Geh langsam«, befahl sie Nacoya. Während andere Familien in großen Gruppen aus Söhnen, Töchtern, Angeheirateten und Cousins und Cousinen vortraten, von
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