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Die Stunde Der Woelfe

Die Stunde Der Woelfe

Titel: Die Stunde Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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haben, der desillusioniert worden war, der bereit wäre, Smiths Geheimnisse zu offenbaren und mir genau zu erklären, inwiefern er ein Hochstapler sei. Doch Estelle sprach nicht wie eine enttäuschte, ehemalige Anhängerin. Sie glaubte immer noch. Sie sprach wie eine Gläubige, die den Glauben verloren hatte, oder die den Glauben an ihr Anrecht auf Erlösung verloren hatte.
    Ich musste es einfach fragen: »Konntest du es, Estelle? Konntest du in die Sonne gehen?«
    Â»Ja.« Ihre Stimme war ein Flüstern.
    Verflucht noch mal. Ein Heilmittel. Etwas kitzelte in meinem Magen, ein Funken der Hoffnung, der sich ein bisschen wie Sodbrennen anfühlte. Eine Wahl, ein Ausweg. Ich könnte mein altes Leben zurückhaben. Wenn ich es wollte.
    Es musste einen Haken geben.
    Ich zwang mich, ruhig zu sprechen, versuchte die unparteiische
Journalistin abzugeben. »Du bist vier Monate bei ihm geblieben. Was hast du während dieser Zeit getan? «
    Â»Ich bin mit der Karawane herumgereist. Ich bin auf der Bühne aufgetreten und habe Zeugnis abgelegt. Ich habe mir Sonnenaufgänge angesehen. Smith hat sich um mich gekümmert. Er kümmert sich um uns alle.«
    Â»Du bist also geheilt. Das ist toll. Warum also nicht fortgehen? Warum gehen diejenigen, die geheilt sind, nie fort und fangen ein neues Leben an?«
    Â»Er ist unser Anführer. Wir sind ihm treu ergeben. Er errettet uns, und wir würden unser Leben für ihn geben.«
    Sie klang so ernst, dass ich mich fragte, ob man mich reingelegt hatte. Aber ich war dicht an etwas dran. Fragen, mehr Fragen. »Aber jetzt willst du ihn verlassen. Warum?«
    Â»Es … es ist so erdrückend. Ich konnte die Sonne sehen. Aber ich konnte ihn nicht verlassen.«
    Â»Du konntest nicht?«
    Â»Nein … ich konnte es nicht. Alles, was ich war, mein neues Ich, es beruhte auf ihm. Es war, als … habe er mich erschaffen.«
    Herrje. »Das klingt ein wenig nach einer Vampirfamilie. Ergebene Gefolgsleute, die einem Gebieter dienen, der sie erschaffen hat.« In der Beziehung klang es auch nach einem Werwolfrudel, aber darauf wollte ich mich lieber nicht einlassen.
    Â»Was?«
    Â»Ich habe ein paar Fragen an dich, Estelle. Bist du gegen deinen Willen zu einem Vampir gemacht worden, oder geschah das freiwillig?«

    Â»Es … es ist nicht gegen meinen Willen geschehen. Ich wollte es. Das war 1936, Kitty. Ich war siebzehn. Ich hatte mich mit Polio angesteckt. Ich wäre ohnehin gestorben oder bestenfalls schrecklich verkrüppelt gewesen, verstehst du? Mein Gebieter bot mir einen Ausweg an. Ein Heilmittel. Er sagte, ich sei zu bezaubernd, um derart vergeudet zu werden.«
    Ich sah sie vor meinem geistigen Auge. Sie sah jung aus, ja geradezu quälend unschuldig, mit dem gepflegten Äußeren und der faszinierenden Aura, die die meisten Vampire kultivierten.
    Â»Wann hast du entschieden, dass du kein Vampir mehr sein wolltest? Weshalb hast du dich an Elijah Smith gewandt? «
    Â»Ich hatte keinerlei Freiheit. Alles drehte sich um den Gebieter. Ich konnte nichts ohne ihn tun. Was für ein Leben ist das denn schon?«
    Â»Das Leben einer Untoten?« Huch, das war mir so herausgerutscht!
    Â»Ich musste fort.«
    Wenn ich Estelle eine populärpsychologische Antwort geben wollte, würde ich ihr sagen, sie leide unter Bindungsangst, und es falle ihr schwer, die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu akzeptieren. Immer auf der Suche nach einem Heilmittel, und jetzt war sie zu mir gelaufen gekommen.
    Â»Erzähl mir, was passiert ist.«
    Â»Ich war nun sterblich, konnte tun, was immer ich wollte, nicht wahr? Ich konnte am helllichten Tag herumspazieren. Vor zwei Nächten war ich am Haupteingang zum
Überprüfen der Neuankömmlinge eingeteilt. Ich bin in der Menge untergetaucht und nicht mehr zurückgegangen. Ich fand ein Versteck, eine alte Scheune, glaube ich. Am Morgen ging ich durch die offene Tür, mitten ins Sonnenlicht – und verbrannte mich. Der Hunger kehrte zurück. Er … er hat die Heilung rückgängig gemacht, hat mir seinen Segen entzogen. Seine Gnade.«
    Â»Die Heilung hat nicht funktioniert.«
    Â»Doch! Aber ich war vom Glauben abgefallen.«
    Â»Du hast dich verbrannt. Wie schwer bist du verletzt, Estelle?«
    Â»Ich … ich habe bloß mein halbes Gesicht verloren.«
    Ich schloss die Augen. Das hübsche Bild, das ich mir von Estelle gemacht hatte, löste

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