Die Stunde Der Woelfe
Sorgen, ich könnte Hilfe benötigen?
»Ich kann jetzt nicht sprechen, Carl.«
Ich legte einfach auf. Dafür würde er mir später die Hölle heiÃmachen.
Eines Tages würden Carl und ich einander umbringen.
Ich schaltete wieder auf die andere Leitung, nachdem ich überprüft hatte, dass es sich auch um die richtige handelte. »Estelle? Was ist los? Estelle?« Es raschelte an der Sprechmuschel, dann ertönte ein Krachen, als sei etwas umgefallen. Mir blieb das Herz stehen. »Estelle?«
»Ja. Ich verstecke mich, aber das Telefonkabel reicht nicht weiter. Ich will nicht auflegen, Kitty.«
Das wollte ich auch nicht. Eine hässliche leise Stimme in meinem Kopf flüsterte Einschaltquote . AuÃerdem würde ich nur herausfinden, was passierte, wenn sie am Apparat blieb.
»Estelle, wenn du auflegen musst, dann leg auf, okay? Das Wichtigste ist, dass du da heil rauskommst.«
»Danke, Kitty«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.
»Danke, dass du mir zuhörst. Mir hat noch nie jemand richtig zugehört.«
Ich hatte gar nichts getan, konnte jetzt auch nichts tun. Ich saà hinter dem Mikro fest.
AnschlieÃend musste ich mir die Ereignisse aus dem Gehörten zusammenreimen. Es war, als verfolge man ein schlecht inszeniertes Hörspiel im Radio. Reifenquietschen auf Asphalt. Eine Tür fiel ins Schloss. Entferntes Rufen.
Das Telefon schlug erneut gegen etwas: Estelle hatte den Hörer fallen lassen. Laufschritte.
Ich ging auf und ab. Es juckte mich in den Händen, die sich in Klauen verwandeln wollten, sowie in den Beinen, die rennen wollten. Das passierte, wenn ich unter Stress stand. Ich wollte mich verwandeln und laufen. Weit weg laufen, schnell laufen, wie Estelle es zu tun versucht hatte.
Ich rief noch einmal bei Cormac an.
»Ja?«
»Ich binâs. Bist du dort? Was ist los?«
»Gib mir âne Chance, ich bin erst seit einer Minute hier. Probierâs in fünf Minuten noch einmal.« Er legte auf.
Dann läuteten in der anderen Leitung Glöckchen, als die Tür geöffnet und geschlossen wurde. Schritte bewegten sich langsam über Linoleumboden. Ich hörte einen Schrei. Dann Schluchzen.
Was hatte dieser Elijah Smith an sich, dass er einem Vampir Angst einjagen konnte?
»Estelle. Willst du nicht zu mir zurückkehren? Du kannst wiedererlangen, was du verloren hast. Ich werde dir sogar diesen Verrat verzeihen.« Eine gelassene, vernünftige
Stimme hallte durch die Leitung, als käme sie aus einem Fernseher im Nachbarzimmer. Es klang wie ein Sozialkundelehrer an der Highschool, der einen schauerlichen Ãbergangsritus erklärte, als handele es sich um ein Kartoffelbreirezept. Eine glatte Stimme, tröstlich, kalt.
Diese Stimme verkündete Wahrheit. Selbst übers Telefon klang sie überzeugend.
Elijah Smith bei seinem ersten öffentlichen Auftritt.
»Was bist du?«, sagte Estelle, lauter, als sie bisher gesprochen hatte, doch die Worte waren immer noch gedämpft, voller Tränen. »Was bist du wirklich?«
»Oh, Estelle. Fällt es dir so schwer zu glauben? Dein Kampf ist der schwerste von allen. Diejenigen, die sich selbst hassen, ihre Ungeheuer â ihnen fällt der Glaube leicht. Aber du, diejenigen, die sind wie du â ihr liebt die Ungeheuer, zu denen ihr geworden seid, und diese Liebe ist es, die ihr fürchtet und hasst. Euch fällt der Glaube äuÃerst schwer, weil ihr nicht wirklich glauben wollt.«
Ich lieà mich so schwer in meinen Stuhl fallen, dass er einen halben Meter rückwärtsrollte. Die Worte prickelten auf meiner Haut. Er hätte genauso gut mit mir sprechen können, und er hätte recht gehabt: Ich glaubte an kein Heilmittel. Lag es daran, dass ich nicht wollte?
»Eine Heilung sollte für immer wirken! Warum kann ich dich nicht verlassen?«
»Weil ich es hassen würde, dich zu verlieren. Ich liebe all meine Leute. Ich brauche dich, Estelle.«
Was hatte Arturo gleich noch einmal gesagt: Sie ist ein Teil von mir. Wenn sie zerstört wird, wird auch ein Teil von mir zerstört. Könnte Elijah Smith eine Art Vampir sein, der
sich von Bedürfnissen nährte, von den Kräften seiner Anhänger?
Wenn ich doch nur ihn dazu bekäme, nach dem Telefonhörer zu greifen!
Wieder rief ich bei Cormac an.
»Ja?«
»Sind schon fünf Minuten vorbei? Leg wenigstens nicht auf, damit ich weiÃ, was vor
Weitere Kostenlose Bücher