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Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1

Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1

Titel: Die Stunde der Zeitreisenden: Hourglass 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra McEntire
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verschloss die Tür der zweiten Wohnung.
    »Ich mag beide Lofts«, erklärte er. »Thomas und Dru können mich hinstecken, wo sie wollen.« Michael wippte auf den Fersen. Ein paar Sekunden lang starrte er mir in die Augen. Die Sekunden wurden zur Ewigkeit, als er seine Hand ausstreckte, bis seine Fingerspitzen nur wenige Zentimeter von meinen entfernt waren.
    »Bist du sicher?«, flüsterte ich.
    »Es geht nicht weg«, erwiderte er leise. »Am besten, du gewöhnst dich dran.«
    Ich wappnete mich gegen den bevorstehenden Energiestoß, bevor ich ihm die Hand reichte.
    Es war besser, als ich es in Erinnerung hatte.
    Ich war froh, dass die Lampen im Flur nicht besonders hell waren. Als sie anfingen zu flackern, wusste ich nicht, wo ich hinsehen sollte.
    Michael schien einen inneren Kampf auszufechten und wirkte unentschlossen. Ich begann zu zittern. Die Elektrizität wurde zu einem leisen Summen. Dennoch hätten wir mit all den Funken, die zwischen uns sprühten, wahrscheinlich die gesamte südliche Hemisphäre erhellen können.
    »Es tut mir leid«, sagte er mit leisem Bedauern. Seine Hände fühlten sich warm und fest an.
    »Wieso? Es fühlt sich wirklich ungewöhnlich an, aber es geht mir gut.« Prinzipiell. Sich einen Ganzkörperstromstoß von einem Typen einzufangen, den man gerade erst kennen gelernt hat, war genauso sonderbar, wie tote Leute zu sehen. Aber weitaus angenehmer.
    »Nicht, dass wir uns … berührt haben. Das mit den Zeitlosen. Es tut mir leid, dass du auf dich allein gestellt damit fertigwerden musstest.«
    »Aber ich mache fast alles mit mir allein ab.« Vorsichtig zog ich meine Hand aus der seinen, trat langsam zurück und vergewisserte mich, dass meine Knie wieder ihren Dienst tun und meine Beine mich tragen würden.
    »Denk dran, dass ich da bin, um dir zu helfen.« Michael ließ den Arm hängen. »Ich werde in der Nähe bleiben, bis du mich fortschickst.«
    Oder bis mein Bruder seine Zahlungen an ihn einstellen würde.
    »Nun ja, ich sollte wohl besser… zu Bett gehen. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Ich sah ihm nach, wie er über den Flur davonging, und hielt mich am Türknauf fest. Ich hatte Mühe, mich aufrecht zu halten, während ich spürte, wie sich unsere Verbindung ausdehnte, den Flur hinunter und bis zur Haustür.
    Ich schloss die Wohnung mit dem Generalschlüssel auf und legte ihn in der Küche auf die kalte Marmoranrichte.
    Eigentlich hatte ich nur kurz duschen wollen, um mir den Puder vom Körper zu spülen, aber dann ließ ich mich von den warmen Kaskaden und der Stille verführen. Meine Haut war rot und verschrumpelt, als ich endlich aus der Duschkabine trat und in meinen Pyjama schlüpfte. Ich schlug die Daunendecke zurück und strich über das schneeweiße Laken.
    Mein Blick fiel auf die Familienfotos auf dem Nachtschränkchen. Auf dem einen lächelten mir Thomas und Dru entgegen. Das andere war von mir. Ich wirkte hohl und leer. Die Aufnahmen wurden auf einer Reise gemacht, die mich nach dem Tod meiner Eltern ein bisschen ablenken sollte. Weder Disneyland noch die Bahamas hatten irgendeine positive Wirkung.
    Ein drittes Foto zeigte meine Eltern bei ihrem letzten Weihnachtsfest. Ich nahm den schweren Silberrahmen und schaute in ihre vertrauten Gesichter, die ich niemals wiedersehen würde, es sei denn, meine Eltern würden mir als Zeitlose erscheinen. Ich wusste nicht, ob ich mich davor fürchtete oder es herbeisehnte.
    Das heutige Gespräch über meine Vergangenheit hatte eine Wunde aufgerissen. Das große Loch, das der Tod meiner Eltern hinterlassen hatte, war von der Zeit zugenäht geworden, doch die Unterhaltung mit Michael hatte die Fäden gelockert. Beim Betrachten des Bildes rissen sie entzwei.
    Ich war bislang noch zu keinem Menschen so offen gewesen wie zu Michael. Er gab mir ein Gefühl von Sicherheit, als ob ich real sein könnte – zerschmettert und bruchstückhaft und komplett unvollkommen –, auch wenn er der genaue Gegenpol war. Heil, vollständig und absolut perfekt.
    Und absolut verboten.
    Ich blickte wieder auf das Foto meiner Mutter und zeichnete die Umrisse ihres Gesichts nach. Wäre sie noch am Leben gewesen, hätte ich mich zu ihr ins Bett gekuschelt und sie um Rat gefragt.
    Stattdessen legte ich mich in mein eigenes Bett, schaltete die Nachttischlampe aus und drückte das Bild an mein Herz.
    Kurz bevor ich wegdämmerte, spürte ich jemanden in meiner Nähe, aber ich war schon zu schläfrig, um zu sagen, ob es Traum oder Realität war. Ich konnte mir

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