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Die Stunde des Jägers - EXOCET

Die Stunde des Jägers - EXOCET

Titel: Die Stunde des Jägers - EXOCET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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im Ledermantel trat ein und kam fröstelnd auf das Feuer zu.
    »Verdammt, ist das kalt da draußen.«

      Er nahm sich Kaffee und Wodka vom Tablett auf dem Schreibtisch und ging ans Feuer. Paul Tscherny war vierunddreißig, ein gut aussehender, umgänglicher Mann, der bereits einen internationalen Ruf auf dem Gebiet der Experimentalpsychologie genoß; für den Sohn eines Dorfschmieds aus der Ukraine eine beachtliche Leistung. Im Krieg hatte er als Sech

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    zehnjähriger in einer Partisanengruppe gekämpft. Sein Gruppenführer, im Zivilleben Englischdozent an der Universität Moskau, hatte seine Begabung erkannt.

      Tscherny schrieb sich 1945 an dieser Universität ein. Er studierte Psychologie im Hauptfach und ve rbrachte dann zwei Jahre in einer Forschungsgruppe für Experimentalpsychiatrie an der Universität Dresden, wo er 1951 seinen Doktor machte. Sein Interesse für Verhaltenspsychologie führte ihn an die Universität Peking, wo er mit dem berühmten chinesischen Psychologen Pin Chow arbeitete, dessen Spezialität der Einsatz verhaltenspsychologischer Techniken beim Verhör und der Gehirnwäsche britischer und amerikanischer Kriegsgefangener im Korea-Krieg gewesen war.

      Als die Zeit reif für Tschernys Rückkehr nach Moskau war, hatte ihm seine Arbeit auf dem Gebiet der Beeinflussung menschlichen Verhaltens unter Anwendung Pawlo wscher Techniken die Aufmerksamkeit des KGB im allgemeinen und Maslowskis im besonderen eingetragen, der entscheidend bei seiner Berufung als Professor für Experimentalpsychologie an die Universität Moskau mitgewirkt hatte.

      »Er ist ein Einzelgänger«, sagte Maslowski. »Kein Respekt vor der Obrigkeit. Hält sich grundsätzlich nicht an Befehle. Man hatte ihm doch gesagt, er solle ohne Waffe gehen, nicht wahr?«
    »Ja, Genosse Oberst.«

      »Er mißachtet also einen Befehl und macht aus einer Rout ineübung ein Blutbad. Um die verdammten Dissidenten, die wir hier einsetzen, geht es mir nicht. Wenigstens eine Art, sie zu zwingen, ihrem Vaterland zu dienen. Wer waren übrigens die Polizisten?«

      »Das weiß ich nicht genau. Moment bitte.« Tsche rny griff nach dem Telefon. »Lewin, reinkommen.«
    »Wer ist Lewin?« fragte Maslowski.

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      »Der ist seit ungefähr drei Monaten hier. Jüdischer Dissident, wegen Geheimkorrespondenz mit Verwandten in Israel zu fünf Jahren verurteilt. Er leitet überaus tüchtig das Büro.«

    »Was war er von Beruf?«
      »Physiker – Konstruktionsingenieur. Soviel ich weiß, hatte er mit Flugzeugentwicklung zu tun. Ich habe guten Grund zu glauben, daß er sein Fehlverhalten bereits eingesehen hat.«
    »Das behaupten sie alle«, versetzte Maslowski.

      Es klopfte an die Tür, und der Erwähnte trat ein. Viktor Lewin war ein schmächtiger Mann, den nur sein gesteppter Anzug kräftiger erscheinen ließ. Er war fünfundvierzig, hatte eisengraues Haar, und das Drahtgestell seiner Brille war mit Klebeband repariert. Er sah gehetzt aus, als erwartete er, das KGB könne jeden Augenblick die Tür auftreten; in seiner Lage keine übertriebene Mutmaßung.

    »Wer waren die drei Polizisten?« fragte Tscherny.
      »Der Sergeant hieß Woronin, Genosse«, antwortete Lewin. »Früher Schauspieler am Moskauer Staatstheater. Versuchte im letzten Jahr nach dem Tod seiner Frau in den Westen zu flüchten. Urteil: zehn Jahre.«

    »Und das Kind?«
      »Tanja Woroninowa, seine Tochter. Wer die beiden anderen sind, muß ich erst noch nachprüfen.«

    »Im Augenblick unwichtig. Sie können gehen.«
      Lewin entfernte sich. Maslowski sagte: »Zurück zu Kelly. Unbegreiflich, daß er auf den Mann vor dem Lokal schoß. Glatte Mißachtung meines Befehls. Es war allerdings«, fügte er hinzu, »ein erstaunlicher Treffer.«

    »Ja, gut ist er.«
    »Erzählen Sie mir noch mal seine Vorgeschichte.«

      Maslowski goß sich noch einen Kaffee mit Wodka ein und setzte sich ans Feuer. Tscherny nahm eine Akte vom Schreib

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    tisch und schlug sie auf. »Michail Kelly, geboren 1938 in dem Dorf Ballygar in Kerry. Das liegt in der Republik Irland. Vater: Sean Kelly, IRA-Aktivist im spanischen Bürgerkrieg. Lernte in Madrid die Mutter des Jungen kennen – Martha Wronski, Sowjetbürgerin.«

      »Und der Vater wurde von den Briten gehängt, wenn ich mich recht entsinne.«
      »Korrekt. Er nahm während der ersten Monate des Zweiten Weltkriegs an einer Bombenkampagne der IRA im Raum London teil, wurde erwischt, vor Gericht gestellt und

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