Die Stunde des Löwen
nur weià ich leider immer noch nicht, wer der Mann ist.«
»Was willst du tun? Zur Polizei gehen?«
Fremden überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. »Klaus Bruckner ist mein Auftraggeber. Ihm werde ich den Film zuerst zeigen. Was er damit macht, ist dann seine Sache.«
Ein Klingeln an der Haustür lieà ihn zusammenzucken. Intuitiv dachte er an den grimmig dreinblickenden Nachbarn mit der Schneeschaufel.
»Willst du nicht öffnen?«
»Doch«, antwortete Fremden, als es erneut klingelte, und setzte sich in Richtung Tür in Bewegung.
*Â *Â *
Noch vor zwei Stunden hätte Born jede Wette abgeschlossen, dass es ihn nicht so schnell wieder in seine alte Heimat, den Odenwald, verschlagen würde. Doch nun stand er neben Mannfeld an der Eingangstür eines Odenwälder Fachwerkhauses und wartete darauf, dass geöffnet wurde. Von einem Scharlatan. Nachdem sie weder in Amelie Bruckners Schlafzimmer noch in dem Atelier der Frau einen Hinweis auf die Identität des Modells namens Alexander gefunden hatten, hatte er vorgeschlagen, dem falschen Detektiv auf den Zahn zu fühlen. Auch dass es sich bei diesem Jonas Fremden aller Wahrscheinlichkeit nach um den Bruder seines vermissten ehemaligen Klassenkameraden handelte, hatte er Mannfeld mitgeteilt. Allzu viele Menschen dieses Namens konnte es schlieÃlich nicht geben. Und auf dem Klassentreffen war ja ebenfalls gemunkelt worden, dass sich der Typ wieder im Land befand.
»Sind Sie Jonas Fremden?«
»Ja, und mit wem habe ich die Ehre?«
Ohne zu antworten, hielt Born seinen Dienstausweis in die Höhe. Auf den ersten Blick bestand keine Ãhnlichkeit zwischen Felix und dem Mann auf der Türschwelle. Wundern durfte ihn das nicht, schlieÃlich war Felix zum Zeitpunkt seines Verschwindens noch ein Kind gewesen.
Sie folgten Fremden in ein Wohnzimmer, in dem sich noch eine weitere Person befand. Eine junge rothaarige Frau mit leuchtend grünen Augen.
»Sagt Ihnen der Name Bruckner etwas?«, erkundigte sich Born und blieb in Nähe der Terrassentür stehen.
»Natürlich, ich ermittle im Auftrag eines Klienten, der Klaus Bruckner heiÃt.«
»Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit?«
»Ich befürchte, das fällt unter meine Schweigepflicht.« Fremden setzte ein zuckersüÃes Lächeln auf.
Unschlüssig, wie er auf die Verschanzung hinter der Schweigepflicht reagieren sollte, lieà Born seinen Blick durch den Raum schweifen. Ein wild zusammengewürfelt wirkendes Potpourri an Ramschmöbeln stand hier herum. Von der dunklen Holzdecke hingen Lampenschirme aus Rauchglas, die Wände waren zugekleistert mit kitschigen Puzzles und Jagdtrophäen. Er dachte an das Reality-Format »Raus aus dem Messie-Chaos â rein ins Leben«. Fehlten nur noch die Müllberge und die Stapel alter Zeitungen, und die Kulisse wäre prädestiniert für die Entrümpelungs-Dokusoap.
»Kann es sein, dass sich Ihre Ermittlungen um den Tod von Hugo Bruckner drehen?«
Fremden zuckte mit den Schultern, und Born beschlich das Gefühl, als ob das Lächeln des Mannes noch eine Spur breiter geworden war.
»Wenn es sein muss, können wir Sie gern aufs Präsidium vorladen«, ergänzte er und nahm im selben Moment etwas Silberfarbenes auf dem Nierentischchen wahr, an dem die rothaarige Frau lehnte. »Was liegt denn da für eine Kamera?«
»Eine digitale.«
»Danke, das sehe ich. Ich möchte wissen, wem sie gehört.«
»Das fällt leider auch unter die Schweigepflicht.«
»Darf ich mir die Kamera wenigstens mal ansehen?«
»Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
Born atmete einmal tief durch, dann machte er einige Schritte auf Fremden zu. Als er ganz dicht vor ihm stand, raunte er ihm mit vorgehaltener Hand ins Ohr: » Beschluss , mein Freund. Das heiÃt Durchsuchungs beschluss . Und wenn wir uns einen besorgen, stellen wir deine Rumpelkammer hier bis in den letzten Winkel komplett auf den Kopf. Dann kommen auch die unschönen Dinge zutage. Deine Geheimnisse. Ich weià genau, wer du bist. Ich weià auch, wer dein Onkel war und dass du ohne Gewerbeschein ein bisschen lauwarm herumermittelst. Leute abzockst und dem armen Klaus Bruckner ein X für ein U vormachst. Arglistige Täuschung nennt man das. Und ich weià sogar das Allerschlimmste: dass dein Bruder vor Jahrzehnten verschwunden ist und dass du Penner
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