Die Stunde des Löwen
Sohn behandelt?« Bruckner war einen Schritt auf ihn zugekommen und hatte ihm fest in die Augen gesehen. »Der einzige Grund, weshalb ich dich nicht wie eine Laus zerquetschen lasse, ist, dass du Amelie damals auf der MS Merdiva das Leben gerettet hast.«
Wer daraufhin zuerst laut geworden war, daran konnte er sich nicht mehr erinnern. Doch es war in jedem Fall Bruckner gewesen, der handgreiflich wurde. Der ihn am Pullover packte und zerrte, wogegen er sich mit einem kräftigen Stoà zur Wehr gesetzt hatte. Bruckner verlor das Gleichgewicht, stürzte und landete im See.
Er hatte den Rettungsring schon in der Hand gehabt, doch ein Ruf von Amelie lieà ihn in der Wurfbewegung innehalten.
»Tu es nicht. Du darfst Hugo nicht glauben, dass er dich am Leben lässt. Niemand kennt ihn so gut wie ich. Du oder er. Du musst ihn töten. Wenn du das tust, helfe ich dir.«
Mit der hölzernen Stake, die auf dem Bootssteg herumlag, hatte er Bruckner so lange unter Wasser gedrückt, bis dessen Körper nicht mehr an der Oberfläche auftauchte. Und Amelie hatte der Polizei das Märchen vom tragischen Unfall erzählt.
Nach Bruckners Tod war sein Sohn Klaus aus den USA nach Hause zurückgekehrt, um die Führung des Bestattungsunternehmens zu übernehmen. Ihn, den Mörder, hatte Amelie aus der Schusslinie gezogen. Keinen einzigen Tag musste er mehr für sie arbeiten. Ihr Versprechen, ihn zu unterstützen, hielt sie dennoch. Sogar eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung finanzierte sie ihm. Anfangs hatte er sich noch der Illusion hingegeben, dass sich sein Leben nun zum Besseren wenden würde. In seiner Naivität wertete er Amelies Fürsorge als Zeichen ihrer Dankbarkeit, sie von einem despotischen Ehemann befreit zu haben. Dass sie jedoch völlig anders tickte, bekam er an einem Samstagabend zu spüren, als sie unangemeldet bei ihm in der Wohnung erschien. Ob er ein Glas Wein mit ihr trinken wolle? Nach dem zweiten Glas zeigte sie ihm die Kopie des Videos, das sie vom Fenster des Ferienhauses aus aufgenommen hatte. Was er zu sehen bekam, schockierte ihn. Warum nur hatte sie Beweismittel geschaffen, wo sie doch den Mord vertuschen wollte?
Nach der Vorführung des selbst gedrehten Materials hatte sie einen zweiten, gekauften Film aus ihrer Handtasche geholt und die DVD , ohne ihn um Erlaubnis zu bitten, in den Player eingelegt. Er schämte sich, dass es ihn anfangs sogar ein bisschen angetörnt hatte. Der Anblick der stöhnenden Mulattin, die auf einem rosa Plüschsofa von zwei Männern in Ledermasken genommen wurde. Gar nicht angetörnt hatte ihn allerdings, was auf dem Höhepunkt der Szene passiert war. Als Amelies altersfleckige Hand den ReiÃverschluss seiner Hose öffnete und gierig nach seinem Schwanz griff.
Seufzend wandte er den Blick vom Monitor ab. Er erhob sich und ging einige Schritte im Zimmer umher. Auf einmal spielten seine Nerven verrückt. Auf den Dielen, die er wie ein Wahnsinniger geschrubbt hatte, sah er wieder all das Blut. Und Fátimas verdrehten Leichnam und die Beinprothese, die er in ein dickes Tuch gewickelt und mit Steinen beschwert in den Main geworfen hatte. Beruhige dich, dachte er mahnend, um sich wieder auf ein normales Level herunterzubringen. Aber der Gedanke, dass Amelie das Video vor ihrem Tod an jemanden weitergegeben haben könnte, begann in seinem Kopf zu nagen. Wer verbarg sich hinter dem Webnamen »Bestattermord«? Und woher wusste der- oder diejenige, dass er, »hotcracker«, Bruckner getötet hatte? Martha fiel ihm ein. Seinen Alias kannte nur sie. Er hatte ihn ihr verraten müssen, als sie gemeinsam vor dem Computer saÃen, damit er ihr »dieses Facebook erklärte«. Trotz oder gerade wegen ihres okkulten Krams hatte sie eben auch ein bisschen »modern« sein wollen. Falls Martha ihn in diese Lage manövriert hatte, musste auch sie im Besitz des belastenden Filmmaterials gewesen sein.
Doch was bezweckte »Bestattermord« mit seiner Nachricht? Im besten Fall wollte er Geld von ihm erpressen, das er nicht besaÃ. Und im schlimmsten Fall verbarg sich dahinter die nächste unersättliche Schlampe, die ihm auf perfide Art zu verstehen gab, dass sie ihn in der Hand hatte.
Er empfand unbändigen Ekel bei dem Gedanken daran, wie Amelie ihn weitergereicht hatte. Als sei er ein Gebrauchsgegenstand. Es hatte sie gekränkt, dass er sich nach dem Sex mit ihr regelmäÃig übergeben
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