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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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Einkaufstüten Schritt für Schritt die Stufen zu einem Hauseingang hocharbeitete. »Natürlich kann es Zufall sein, dass ein Kerl Moldawierinnen nach Deutschland schleust und ein anderer im Internet postet, dass er gern zu den Damen in den Puff geht, weil sie ihn nicht verstehen. Aber vergiss nicht, dass zwischen ›hotcracker‹ und Mordopfer Nummer zwei über Facebook eine direkte Verbindung existiert.«
    Â»Und was sollten wir deiner Meinung nach jetzt tun? Uns mit Facebook in Verbindung setzen? Und über die E-Mail-Adresse den richtigen Namen ermitteln?«
    Â»Im Idealfall würde das sogar zum Erfolg führen«, antwortete Born, um ein mildes Lächeln bemüht. »Aber du glaubst doch nicht im Ernst, dass sich unser Mann an die Vorschriften gehalten hat? Sicher hat er seinen Facebook-Accout mit einer falschen Freemail-Adresse oder Ähnlichem eröffnet. Ich denke eher daran, dem Typ eine Falle zu stellen.«
    * * *
    Erst als er sich nach getaner Arbeit auf dem Stuhl niederließ, spürte er, dass seine Knie schmerzten. Erschöpft atmete er ein paarmal tief ein und aus. Unter den scharfen Geruch des Reinigungsmittels mischte sich immer noch der dumpfe Gestank des Blutes. Doch wenigstens hatte er die sichtbaren Spuren des Gemetzels so gut wie eliminiert. Nur an drei, vier Stellen hatte sich der Dielenboden dunkel verfärbt. Dafür war er aber auch stundenlang wie eine Putzmamsell auf allen vieren über den Boden gekrochen und hatte mit der Wurzelbürste jede noch so kleine Fuge und Rille geschrubbt. Eimerweise hatte er mit Blut versetztes Wasser ins Bad geschleppt und in den Abfluss gekippt.
    Nachdem er sich auf dem Stuhl eine Weile ausgeruht hatte, humpelte er zum Schreibtisch, um den Computer hochzufahren. Routinemäßig startete er zuerst das E-Mail-Programm. An der Flut eingegangener Werbung merkte er, dass er schon seit mehreren Tagen nicht mehr online gewesen war. Mit einigen Mausklicks beförderte er die Spammails in den Papierkorb, dann öffnete er den Internetbrowser. Als Startseite baute sich die von Facebook auf. Ein Icon am oberen linken Bildschirmrand signalisierte, dass er eine neue, noch ungelesene Nachricht hatte. Neugierig klickte er auf die Nachrichtenleiste, um weitere Informationen zu erhalten. Jemand, der sich »Bestattermord« nannte, hatte ihn angeschrieben. Einen Augenblick lang stockte ihm der Atem. Konnte es sein, dass jemand, der sich mit diesem Pseudonym bei ihm meldete, nichts von seiner Vergangenheit wusste? Es dauerte einige Sekunden, bis er sich dazu durchringen konnte, die Nachricht zu öffnen. »Interessantes Video« , stand im Textfeld geschrieben. Darunter befand sich ein Link. Sonst nichts.
    Auf seiner Oberlippe bildeten sich winzige Schweißtropfen, als er das Video anklickte. Schon nach den ersten Sequenzen wusste er, dass er den Film schon einmal gesehen hatte. Einen Film, von dem er dachte, dass er nach Amelies Tod nicht mehr existierte. Aufgenommen an einem verhängnisvollen Spätnachmittag im August 2005. Bruckner hatte ihn nach Kahl zum Ferienhaus bestellt. Der Herbst hatte in jenem Jahr bereits früh seine Boten vorausgeschickt. Die Blätter an den Birken leuchteten in kräftigem Gelb, und im See trieb schon vereinzelt Laub. Als er ankam, rief Bruckner ihn zu sich auf den Bootssteg. Amelie bereitete unterdessen das Abendessen zu. Ein Gericht mit Fleisch. Das hatte er an den Geruchsschwaden erkennen können, die der Wind vom Haus auf den See hinaustrug. Dass sein Chef ihn an seinem freien Tag zu sich zitierte, war nicht außergewöhnlich. Auch nicht, dass er mit seinem Anliegen rasch zur Sache kam.
    Â»Wo ist dein Löwenanhänger abgeblieben?«, erkundigte er sich, noch bevor er ihn begrüßen konnte. Auf den Glücksbringer angesprochen, den er vor Jahren bei einem Landgang in Hongkong gekauft hatte, war sein Mund mit einem Schlag trocken geworden. »Was ist? Hat’s dir die Sprache verschlagen? Du bist doch Sternzeichen Löwe und trägst das Ding immer um den Hals.«
    Er vermisste den Anhänger seit dem Tag der missglückten Geldübergabe. Doch bis zu diesem Moment hatte er nicht gewusst, ob er ihn erst im Wald oder schon in den Stunden zuvor verloren hatte.
    Â»Schade, dass ausgerechnet du es bist, der mir das antut. Ein jämmerlicher Versuch, mich zu erpressen. Dabei hatte ich Pläne mit dir. Sogar große. Hab ich dich nicht immer wie einen

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