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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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drüben?«
    Â»Ja. Für den Sohn. Kennen Sie Klaus Bruckner?«
    Â»Nicht persönlich. Hab nur gehört, dass er ein Glasauge hat.«
    Â»Seine Eltern kannten Sie aber. Immerhin waren Sie Nachbarn.«
    Â»Aber keine guten«, sagte Vera Kaczorowski und nahm schlürfend einen Schluck Kräutertee.
    Â»Wie darf ich das verstehen?«
    Â»Der Alte hatte ein Auge auf Frauen. Glaubte, sich einfach nehmen zu können, was er will.«
    Â»Woher wissen Sie das?«
    Â»Aus eigener Erfahrung. Erst hat er mir nur schlüpfrige Angebote gemacht. Und dann, als ich nicht darauf eingegangen bin, hat er mir einfach dahin gegriffen.«
    Staunend musste Fremden mitansehen, wie Vera Kaczorowski ihre dicken, wollbestrumpften Beine spreizte und sich mit der Hand zwischen die Schenkel fasste. Den Blick vom Schoß seines Gegenübers abwendend, gelang es Fremden nur mit Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Unvorstellbar, dass ein Mann wie Hugo Bruckner auch nur ein Fünkchen Interesse für eine Frau von ihrem Schlag aufbrachte.
    Â»Der Todestag. Kommen wir doch bitte wieder auf den zu sprechen. Sie sagten am Telefon, Sie hätten eine Beobachtung gemacht.«
    Vera Kaczorowski schüttelte erneut den Kopf. »Da haben Sie vorhin wohl nicht richtig aufgepasst. Ich habe nichts gesehen, sondern etwas gehört.«
    Â»Und das wäre?«
    Â»Streitende Männerstimmen, drüben am Haus. Und eine davon gehörte dem geilen Bock.«
    Auf der Fahrt nach Bad König rekapitulierte Fremden noch einmal seinen Besuch bei Vera Kaczorowski. Bei der Frau saß definitiv eine Schraube locker. Als ob es nicht genügen würde, optisch und lifestylemäßig auf Catweazle zu machen. Nein, sie musste noch einen draufsetzen, in dem sie behauptete, der attraktive Hugo Bruckner habe ihr Avancen gemacht und sie sogar sexuell belästigt. Im Grunde war es verantwortungslos, so jemanden mutterseelenallein im Wald hausen zu lassen. Hatte Vera Kaczorowski keine Verwandtschaft, die sich um sie kümmerte?
    Als er aufgebrochen war, hatte sie versucht, ihm ein Säckchen von ihrem »heilbringenden« Tee zu verkaufen. Eine Rezeptur, die sie beim Lagern an der Ronneburg von einem befreundeten Druiden verraten bekommen habe. Die Geschäftstüchtigkeit der Frau in allen Ehren. Sie war vermutlich die Triebfeder, weshalb sie ihn zu sich nach Hause bestellt hatte. Und nicht das Bedürfnis, ihm erst tief in die Augen zu sehen, bevor sie entschied, ob sie ihn an ihrem Geheimnis teilhaben lassen konnte. Sich streitende Männerstimmen habe sie gehört. Schwer einzuschätzen, wie glaubwürdig diese Aussage war. Doch falls sie tatsächlich stimmte, waren der Streit und die Anwesenheit eines anderen Mannes gewichtige Indizien dafür, dass Hugo Bruckner nicht von allein in den See gefallen, sondern gestoßen worden war.
    Bei seiner Ankunft im Fachwerkhaus musste er feststellen, dass die Heizung wieder ausgefallen war. Im Flur herrschten nur wenige Grad mehr als draußen vor der Tür. Auf der Schwelle zum Kellerabgang überlegte er, ob er nicht doch lieber zurück nach Frankfurt in sein warmes Apartment fahren sollte. Doch dann würde er die Arbeiten am Haus ein weiteres Mal verschieben müssen. Er gab sich einen Ruck und stieg die Treppe hinab. Seinen Plan für den nächsten Tag würde er so durchziehen, wie er ihn sich zurechtgelegt hatte: am Morgen in den Baumarkt fahren, anschließend herumwerkeln und nachmittags Edgar Rosen auf den Zahn fühlen.
    Nachdem er die Heizung zum Laufen gebracht hatte, schenkte er sich einen Kräuterschnaps ein. Der konnte kaum schlimmer schmecken als der Tee bei Vera Kaczorowski.
    Eine halbe Stunde später saß er immer noch im Wohnzimmer und fror. Es dauerte, bis die Wärme in die Heizkörper zurückkehrte. Auf der Suche nach einem wärmenden Kleidungsstück, das er auch zum Schlafen tragen konnte, durchstöberte er seinen Rucksack und wagte sich schließlich an den Kleiderschrank seines Onkels. Tatsächlich, in einem der oberen Böden lag ein noch original verpackter Bademantel mit blau-roten Streifen. Den hatte der Onkel vor fünfundzwanzig Jahren geschenkt bekommen. An dem Weihnachten, an dem für Felix der erste Playmobilkasten unter dem Christbaum gelegen hatte.

FÜNF
    Born erreichte das Institut für Rechtsmedizin in der Paul-Ehrlich-Straße am Donnerstagmorgen mit einer knappen Stunde Verspätung. Was

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