Die Stunde des Löwen
Bruckner mit dem Auto fortgefahren und erst am nächsten Morgen ins Hotel zurückgekehrt sind.«
Auf Rosens Lippen stahl sich ein Lächeln. »Wir beide haben in Moldawien nicht nur Wild gejagt.«
»Was noch?«
»Soll ich Ihnen das jetzt wirklich erzählen? Lassen Sie doch einfach mal Ihre Phantasie spielen. Träume haben Sie sicher auch. Und die erfüllen die Frauen in Moldawien auf ganz besondere Art und Weise.«
Nach dem Gespräch mit Rosen saà Fremden noch eine ganze Weile in seinem Wagen, ohne die Zündung zu betätigen. Nachdenklich starrte er durch die Windschutzscheibe. Tauwetter hatte eingesetzt. Geschmolzener Schnee tropfte von Laternenschirmen und verwandelte den Asphalt um die schmiedeeisernen FüÃe in kleine Seen.
Anfangs hatte Rosen die Reise nach Moldawien abgestritten. Es hatte ihm hingegen kein Problem bereitet, den angeblichen Bordellbesuch zuzugeben. Irgendwie passte das nicht zusammen. Das Zugeständnis von Mann zu Mann und die dreiste Jovialität, mit der es ihm verkauft worden war, wirkte auf Fremden wie ein Ablenkungsmanöver von dem, was in besagter Nacht tatsächlich geschehen war. Etwas, was solche Tragweite und Gewicht besaÃ, dass man Bruckner später deswegen erst erpresst und dann ermordet hatte.
*Â *Â *
Nach der Mittagspause, die er mit einer belegten Laugenbrezel an seinem Schreibtisch verbrachte, begab sich Born in die Kriminaltechnik, wo ihm Polizeiobermeister Birkefeld die vorläufigen Ergebnisse der Spurensicherung präsentierte. Sich auffallend häufig mit einem Taschentuch den Schweià von seiner fliehenden Stirn tupfend, wusste der Kollege nur wenig zu berichten, was sie in den Ermittlungen weiterzubringen versprach. Die Quintessenz seiner mageren Ausführungen: Weder in der Wohnung des Opfers noch am Tatort waren Spuren gefunden worden, die dazu dienen könnten, Aufschluss über den Tathergang zu geben oder auf die Identität des Täters zu schlieÃen. Im Hotelzimmer hatte das Team neben den Fingerabdrücken des Opfers und denen des Zimmermädchens noch die von zwölf weiteren Personen gesichert. Ein daktyloskopisches Chaos. Der bereits erfolgte Abgleich mit der Datenbank hatte zudem leider keine Ãbereinstimmung gebracht. Gegen Ende der Besprechung konnte Birkefeld wenigstens noch bestätigen, dass es sich bei den schwarzen Klümpchen auf dem Teppichboden im Sheraton tatsächlich um Kaviar gehandelt hatte. Ob es allerdings Osietra-Kaviar war, vermochte er ohne die Untersuchung von Vergleichsproben nicht zu sagen.
Gegen sechzehn Uhr kehrte Born in sein Büro zurück. Während Mannfeld gemeinsam mit den Kollegen vom Erkennungsdienst die Bilder aus der Hotelüberwachungskamera auswertete, versuchte er, sich mit Hilfe von Google über die mutmaÃlich im Magen des Opfers gefundene Kaviarsorte schlauzumachen. Der Osietra-Kaviar stammte demnach von Stören, die in den Küstenregionen des Schwarzen und Kaspischen Meers und im bis ins moldawische Grenzgebiet reichenden Donaudelta beheimatet waren. Ob solch nüchterne Informationen zur Lösung des Falls beitragen würden, wagte er allerdings zu bezweifeln.
Nachdem er sich telefonisch von Mannfeld verabschiedet hatte, verlieà er das Präsidium. Ein böiger Wind begleitete ihn auf der kurzen Strecke zur U-Bahn-Station Miquel-/Adickesallee. Auf dem Bahnsteig brauchte er zum Glück nicht lange zu warten. Wenige Minuten nach seinem Eintreffen ratterte die U1 in Richtung Ginnheim an.
Sämtliche Waggons des Zugs waren mit Pendlern überfüllt. Eingeklemmt zwischen einer aknehäutigen Frau mit künstlichen Fingernägeln und einem asiatisch aussehenden Geschäftsmann, war er erleichtert, schon nach fünf Stationen aussteigen zu können.
Von der Haltestelle WeiÃer Stein war es nicht weit bis zu ihm nach Hause in die MaybachstraÃe. Vor wenigen Jahren noch hatte er die Nähe seines Zwei-Zimmer-Apartments zur »Batschkapp« als gewaltigen Standortvorteil gewertet. In dem Rockclub hatte er schon Kravitz auf seiner »Let Love Rule«-Tour erlebt. Mittlerweile verschlug es ihn jedoch kaum mehr zu Rockkonzerten. Und auch nicht mehr zum Vorglühen in den »Elfer«.
Während der Computer bootete, holte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Als die lahme Kiste endlich hochgefahren war, loggte er sich auf Facebook ein. Die Idee, dass Selma Tassen trotz ihres hohen Alters und ihrer
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