Die Stunde des Löwen
Land. Das Hotel und die dunklen Wälder.«
»Was genau war Ihr Ziel in Moldawien?«
»Hugo hatte etwa achtzig Kilometer nördlich von ChiÅinÄu, nahe der ukrainischen Grenze, ein Jagdrevier gepachtet.«
Dass es sich um eine feste Pacht gehandelt hatte, wunderte Fremden. Auch, dass Klaus Bruckner nichts von deren Existenz wusste. Denn selbst bei Auslaufen oder Kündigung des Vertrags hätte er im Nachlass seines Vaters Unterlagen oder Schriftverkehr dazu finden müssen.
»Woher kannten Sie Hugo Bruckner?«
»Sie meinen, wie wir uns kennengelernt haben?«
Fremden nickte.
»Er ist eines Tages mit seinem Beagle bei mir in der Schule aufgetaucht. Und da wir beide leidenschaftliche Jäger waren, haben wir uns angefreundet.«
»Wer war damals alles mit in Moldawien?«
Bronski nannte ihm den Namen des vierten Jägers auf dem Bild. Ein gewisser Edgar Rosen, was sich mit Liliana Bodes Bemerkung deckte, einer der Reisenden habe wie eine Pflanze oder Blume geheiÃen.
»Waren Sie nur zu viert?«
»Ja.«
Da er keinen Grund zu der Annahme hatte, dass Bronskis in diesem Punkt log, schlussfolgerte Fremden, dass das Foto entweder mit Selbstauslöser oder von einem Jagdgehilfen oder sonst jemandem vor Ort geschossen worden war.
»Ist während der Reise etwas Besonderes vorgefallen?«
»Was sollte das gewesen sein?«
»Ich weià es nicht. Ein Unfall, eine Krankheit oder ein Ãberfall vielleicht.«
»Uns zu überfallen, hätte sich garantiert niemand getraut.« Bronski setzte ein schiefes Grinsen auf. »Wir waren bis an die Zähne bewaffnet. Einen Unfall hatten wir zum Glück keinen. Und was Krankheiten betrifft: Abgesehen von regelmäÃigen Kopfschmerzen gab es da nichts. Nachwehen vom vielen Nistriju, einem moldawischen Schnaps. An einem Abend haben Jonas und ich vor dem Kamin beinahe eine ganze Flasche geleert.«
»Und die anderen beiden waren abstinent?«
»Das waren sie beileibe nicht«, sagte Bronski und lachte. »Edgar und Hugo waren die ganze Nacht unterwegs.«
»Unterwegs?«, hakte Fremden nach.
»Die haben sich den Mietwagen geschnappt und behauptet, sie hätten was Wichtiges zu erledigen.«
»âne Idee, was das gewesen sein könnte?«
»GroÃes Geheimnis«, sagte Bronski achselzuckend. »Aber Jonas und ich haben getippt, dass sie sich mal ein bisschen austoben wollten.«
»Warum haben sie Sie dann nicht gefragt, ob Sie mitwollten?«
»Vielleicht, weil es den Herren peinlich war.«
»War es das einzige Mal, dass Sie in Moldawien waren?«
Bronski bejahte. »Bei mir schon. Ich weià allerdings nicht, ob die anderen drei noch mal zusammen dahin sind.«
»Wissen Sie, wo ich Edgar Rosen finde?«
»Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm. Aber damals leitete er im Westend eine Konzertagentur für Klassik. Soweit ich weiÃ, vermittelt er Künstler und organisiert Tourneen in der ganzen Welt.«
*Â *Â *
In den Hauseingang des tristen Sechziger-Jahre-Baus gelangten sie mit Hilfe einer Anwohnerin. Diesmal scheiterten sie nicht an der Haustür, sondern im vierten Stock, an der Wohnungstür von Milan Tassen. Trotz mehrmaligem Klingeln wurde ihnen nicht geöffnet. Obwohl Tassen laut Auskunft des Personalbüros auch an diesem Morgen nicht zur Arbeit im Zoo erschienen war. Den Blick auf den »Atomkraft? Nein Danke«-Aufkleber an der Wohnungstür gerichtet, überlegte Mannfeld, welchen Schluss sie daraus ziehen sollte, dass der angeblich Kranke auf ihr Klingeln nicht reagierte. Gerade als sie Born fragen wollte, wie er darüber dachte, öffnete sich die Tür der Nachbarparzelle.
»Milan is nich zu Hause.« Ein junger Mann mit blondem Bürstenhaarschnitt und einem fingerdicken, dunkel gefärbten Zöpfchen im Nacken trat in den Hausflur.
»Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
»Wer will das wissen? Die Polizei?«
Mannfeld nickte.
»Heute Morgen hat er mir den Wellensittich gebracht. Zur Pflege, weil er für zwei, drei Tage zu ânem Kumpel nach Limburg wollte.«
»Zu einem Kumpel nach Limburg?«
»Na ja, zu ânem Typ vom Aktionsbündnis.« Sich mit einer Hand am Hintern kratzend, deutete der junge Mann mit der anderen auf den Aufkleber an der Wohnungstür. »Milan fightet gegen Atomkraft. Mit seinen Kumpels plant er immer irgendwelche schrägen Aktionen. Zum Beispiel, wenn der
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