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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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weiter?«
    Â»â€¦Â Besuch erhalten hat.«
    Â»Können Sie sich vielleicht ein bisschen deutlicher ausdrücken?«
    Â»Ja, aber nur unter vier Augen.«
    Eine knappe Stunde später parkte er zum dritten Mal vor dem Feriendomizil der Bruckners. Die schmale Sichel des Mondes spiegelte sich matt auf der glatt ruhenden Oberfläche des Sees. In der Dunkelheit waren die Umrisse des Bootsstegs nur schemenhaft zu erkennen. Während er sich im knöcheltiefen Schnee durch den Birkenwald kämpfte, verfluchte er sich selbst, Vera Kaczorowski nicht nach der direkten Abfahrt von der Bundesstraße zu ihrem Hexenhäuschen gefragt zu haben.
    Dass er sich nun doch noch auf den Weg zu ihr gemacht hatte, hatte zwei Gründe. Der am wenigsten gewichtige war wohl der, dass er inzwischen tatsächlich glaubte, an ihrem Gerede vom dunklen Geheimnis könne etwas dran sein. Die Chance, dass Amelie Bruckners mysteriöser Besuch nicht einer blühenden Kräutertantenphantasie entsprungen war, schätzte er zwar als gegeben, aber gering ein. Tatsache war – selbst auf die Gefahr hin, dass es lächerlich klang –, dass ihm der Trip zum Kahler See plötzlich nicht mehr lästig, sondern eine willkommene Ablenkung von der Warterei auf Rosens Anruf war.
    Vera Kaczorowski öffnete die Haustür in dem Moment, da er sie erreicht hatte. Sie trug dasselbe Outfit wie bei seinem ersten Besuch: die an den Ellbogen durchgescheuerte Strickjacke, die fleckige Kittelschürze und den Trachtenrock mit den gestickten Hirschkopfmotiven.
    Während er ihr durch den Flur folgte, strömte ihm ein dumpfer, fast süßlicher Geruch entgegen.
    Â»Immer rein in die gute Stube. Die Suppe steht schon auf dem Tisch.«
    Den niedrigen quadratischen Raum betretend, dachte er im Stillen, dass es hoffentlich keine im Stadium der Verwesung befindlichen Mäuse waren, aus denen Vera Kaczorowski die Suppe zubereitet hatte.
    Â»Kohlsuppe«, klärte sie ihn auf, als hätte sie seine Gedanken zumindest ansatzweise gelesen. »Altes Hausrezept. Hab ich schon gestern gekocht. Aufgewärmt schmeckt sie am besten.«
    Nachdem er auf dem ihm zugewiesenen Schemel Platz genommen hatte, versuchte er, gleich zur Sache zu kommen. »Vorhin am Telefon haben Sie mich ganz schön neugierig gemacht, Frau Kaczorowski.«
    Für Sekunden lag der Anflug eines stolzen Lächelns auf ihren Lippen. Doch schon einen Wimpernschlag darauf wurde ihre Miene wieder ernst. »Jetzt stärken wir uns erst mal. Wenn wir gegessen haben, können wir in Ruhe plaudern.«
    Â»Hunger habe ich eigentlich keinen.«
    Vera Kaczorowski versah ihn mit einem strengen Blick. »Nur wer brav seinen Teller leert, bekommt später ein Geheimnis verraten.«
    Mit einem Mal fühlte er sich in seine früheste Jugend zurückversetzt. Er kostete eine Löffelspitze von der Waldschratsuppe und stellte erleichtert fest, dass das Zeug nicht so übel schmeckte, wie es roch.
    Â»Und – mundet es dem jungen Herrn?«
    Er antwortete mit einem Nicken.
    Â»Heutzutage essen die Leute ja alles Mögliche. Sogar Heuschrecken und Käfer. Können Sie sich das vorstellen?«
    Liliana Bode kehrte in sein Bewusstsein zurück. Er nickte erneut und dachte, wie seltsam es doch war, dass die Alte ihm gegenüber ausgerechnet den Verzehr von Insekten ansprach.
    Nachdem er den Teller leer gegessen und sich erfolgreich gegen den angebotenen Nachschlag gewehrt hatte, startete er einen zweiten Versuch, Vera Kaczorowski das ach so dunkle Geheimnis ihrer Nachbarin zu entlocken. »Sie sagten am Telefon, Amelie Bruckner habe kurz nach dem Tod ihres Mannes Besuch erhalten.«
    Â»Ja, Männerbesuch.«
    Â»Wer war der Mann?«
    Â»Woher soll ich das wissen? Sie sind der Detektiv. Amelie hat ihn mir nicht vorgestellt.«
    Â»Können Sie abschätzen, wie alt er war?«
    Â»Ungefähr so alt wie Sie?«
    Â»Und was glauben Sie, was der Mann von ihr wollte?«
    Vera Kaczorowski pulte mit dem Fingernagel einen Speiserest aus einer Zahnlücke, dann stieß sie ein raues Lachen aus. »Auf welchem Planeten leben Sie denn, junger Mann?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    Â»Der Mann war jung und schön, so wie Sie es sind. Und Amelie war eine alte Frau, wie ich es bin.« Sie sah ihn bedeutungsvoll an.
    Â»Sie haben den Mann also zu Gesicht bekommen?«
    Â»Von Weitem habe ich ihn ein paarmal gesehen.«
    Â»Können

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