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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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seit sie den Sexshop betreten hatten, wirkte Mannfeld angespannt. Er hatte die Gesprächsführung übernommen, während sie nahezu reglos auf das Regal mit DVD s hinter der Kasse starrte, die so einsortiert waren, dass nur die Rücken der Cover zu erkennen waren. Als würde sie Gefahr laufen, beim Wenden des Kopfs in Blickkontakt mit den unkeuschen Hüllen von »Süße Ferkel«, »Natural Bush«, »Tropical Island« und »American Cream Pie« zu gelangen, die in den Ständern des Verkaufsraums auslagen.
    Â»Eine Frau in diesem Alter müsste hier doch zwangsläufig auffallen.«
    Â»Wieso?«, erkundigte sich die Bohnenstange trocken.
    Â»Na, das ist doch ein Laden, der mit Erotikartikeln handelt.«
    Er erntete ein belustigtes Grinsen, als hätte er soeben den lächerlichsten Kommentar seines Lebens von sich gegeben.
    Â»Nur mal so zur Info, Herr Kommissar: Ins ›Venus‹ kommen Leute in jedem Alter.«
    Â»Und welche Wünsche hat die Frau ab siebzig für gewöhnlich?«
    Â»Es gibt nichts, was ich hervorheben oder ausschließen könnte.«
    Na prima. Bevor er dem wenig ergiebigen Gespräch ein Ende bereitete, erkundigte sich Born nach dem übrigen Personal, das im Erotikshop arbeitete. Neben der Kassiererin nannte die Bohnenstange noch die Namen von zwei weiteren Personen, die ihre Schicht allerdings erst um sechzehn Uhr antraten. So lange wollten sie nicht warten.
    Beim Eintreffen im Präsidium stellte Born dann aber fest, dass es fast schon an der Zeit war, im Erotikshop anzurufen. Mit etwas Glück erinnerte sich einer der beiden Angestellten aus der zweiten Schicht an Selma Tassen und an das, was sie an jenem Tag gekauft hatte. Das Foto von ihr wollte er während des Gesprächs per E-Mail übermitteln. Als er sich nach vorne beugte, um zum Hörer zu greifen, riskierte er einen Blick über den Schreibtisch in Richtung Mannfeld. Den Kopf gesenkt, kramte sie in irgendwelchen Ermittlungsakten. Auf der Rückfahrt hatte sie kein Wort mit ihm gewechselt und nur mit zusammengekniffenen Lippen durch die Windschutzscheibe gestiert. Während des Besuchs im »Venus« hatte sie sich sichtlich unwohl gefühlt. Hätte er das vorher geahnt, hätte er vielleicht punkten und ihr in Gentleman-Manier anbieten können, die Befragung allein durchzuführen.
    Â»War das gerade ein Problem für dich?«
    Â»Was meinst du mit ›Problem‹?«
    Noch bevor er antworten konnte, klopfte es an der Tür.
    Auf Mannfelds »Herein« wurde die Klinke gedrückt, und Sven Niemanns Kopf erschien im Türspalt.
    Â»â€™tschuldigung, dass ich störe.«
    Â»Komm rein«, sagte Mannfeld. »Du störst nicht.«
    Â»Ich weiß zwar nicht, ob das jetzt was zu bedeuten hat«, druckste Niemann herum und nahm auf dem Besucherstuhl Platz. »Aber heute Morgen hat eine Frau ihre Schwester als vermisst gemeldet.«
    Â»Und?«
    Â»Da bin ich natürlich hellhörig geworden.«
    Â»Warum hellhörig?«
    Â»Na, weil das bei der Rosen, ich meine, beim Opfer Nummer zwei, auch so angefangen hat. Und dann wurde sie ermordet.«
    Â»Du glaubst also, dass dieser Frau vielleicht das gleiche Schicksal zuteilwurde?«
    Niemann errötete leicht und nickte.
    Â»Wie alt ist denn die Frau?«, fragte Born.
    Â»Neunundvierzig.«
    Â»Da ist sie aber um einiges jünger als unsere beiden Opfer. Dem Alter nach passt sie schon mal nicht ins Muster. Nicht jeder, der ein paar Stunden weg ist, wird gleich ermordet. Hast du die Schwester gefragt, ob sie Selma Tassen oder Martha Rosen kennt?«
    Â»Das habe ich.«
    Â»Und was hat sie darauf geantwortet?«
    Â»Dass sie die Namen noch nie gehört hat. Allerdings konnte ich ihr die Fotos nicht zeigen. Vielleicht hätte sie darauf ja ein oder beide Opfer erkannt.«
    * * *
    Beim Verlassen des Starbucks-Cafés kam ihm plötzlich die zündende Idee. Ungeduldig kramte er in der Innentasche seiner Jacke. Als seine Finger endlich die Visitenkarte ertasteten, die ihm Rosen bei ihrer ersten Begegnung überreicht hatte, hätte er vor Freude am liebsten laut gejubelt. Nun wusste er, wie er ihm Dampf unterm Hintern machen konnte, ohne Gefahr zu laufen, vorher abgewimmelt zu werden.
    Strammen Schritts legte er die wenigen hundert Meter in den Oeder Weg zurück. Beim ehemaligen Volksbildungsheim um die Ecke befand sich ein Internetcafé. Der

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