Die Stunde des Löwen
leidenschaftliche Malerin.«
»Darf ich mir die Werke mal ansehen?«
»Ich glaube kaum, dass Fátima etwas dagegen hätte.«
Wahllos langte Mannfeld nach einer der Rollen. Nachdem sie mit ihren Fingernägeln den Plastikdeckel abgehebelt hatte, zog sie einen groÃformatigen Bogen Papier heraus.
Schon an dem ersten Bild blieb ihr Blick wie elektrisiert haften.
*Â *Â *
»Wie hat der Mann ausgesehen, zu dem die Frau ins Auto gestiegen ist?« Born rutschte auf dem Stuhl ein Stück nach vorne und sah Sid fest in die Augen.
»Wie ân beschissener Gigolo.«
»Wie ein Gigolo?«
»Ja, wie Robert Redford, als er noch jung war.«
»Wirklich?«
Sid befingerte das Vorhängeschloss um seinen Hals und erwiderte Borns Blick mit bierernster Miene. Drei, vier Sekunden lang gelang es ihm, sich zu beherrschen, dann prustete er laut lachend los. »Lass dich doch nicht verarschen, Mann. Wie der Typ aussah, konnte ich auf die Entfernung doch nicht sehen.«
»Aber dass er jung war?«
»Na, vielleicht so alt wie du.«
»Was war das für ein Auto? Marke? Alter? Farbe?«, fragte Born nun etwas forscher, worauf der Border Collie aufsprang und ihn leise anknurrte.
»Seh ich aus wie ân Autofreak, der dir bei jeder Bonzenkarre herunterbeten kann, wie viel PS die hat? Könnte ân Japaner gewesen sein. Auf jeden Fall was Billiges.«
»Und die Farbe? Oder bist du auch kein Farbenfreak?«
»Der gerade war nicht schlecht, Mann.« Sid schenkte ihm so etwas wie ein anerkennendes Lächeln. »WeiÃ, glaub ich. Oder vielleicht auch creme. Und hinten am rechten Kotflügel ist der mal wo rangefahren.«
»Was ist mit dem Nummernschild?«
»Hey, hey, hey. Soll ich dir vielleicht auch noch den Namen vom Fahrer sagen?«
»Nein. Danke. Das warâs schon fast.« Born holte das Foto von Martha Rosen aus seiner Manteltasche und legte es zu dem von Selma Tassen auf den Tisch. »Wie siehtâs mit ihr aus? Hast du die Frau schon mal gesehen?«
»Never in my fucking life«, antwortete Sid und schaute gelangweilt aus dem Fenster.
Als Born ins Freie trat, blies ihm ein strammer Wind ins Gesicht. Wenige Meter vor ihm brach einem anfahrenden Roadster auf der mit Schneematsch bedeckten Fahrbahn das Heck aus. Während er dem schlingernden Gefährt hinterhersah, überlegte er, wie viele zigtausend Japaner mit weiÃer oder cremefarbener Lackierung in Deutschland wohl angemeldet sein mochten. Sid hatte sich nicht einmal festlegen können, ob es sich um einen Honda, Toyota, Nissan, Daihatsu oder Mazda gehandelt hatte. Es wäre ein Wahnsinnsaufwand, wollten sie auch nur die in Frankfurt zugelassenen recherchieren. Sie müssten sämtliche Halter abklappern, um herauszufinden, ob eines der Fahrzeuge hinten rechts eine Schramme hatte. Und dabei war noch nicht einmal klar, ob der junge Mann, der Selma Tassen am vergangenen Freitagnachmittag in der KaiserstraÃe aufgepickt hatte, überhaupt etwas mit den Morden zu tun hatte oder zu deren Aufklärung beitragen konnte.
Auf dem Weg zu seinem Wagen versuchte Born, Mannfeld anzurufen. Er lieà es mindestens zehnmal klingeln, doch an ihrem Smartphone hob niemand ab. Die Nummer ihres Festnetzanschlusses hatte er dummerweise zu Hause in seinem Adressbuch notiert. Wahrscheinlich saà sie gerade mit Verwöhn-Jan zu Tisch und genoss eine seiner zauberhaften Speisekreationen. Born wollte nicht bis morgen warten, also setzte er sich ins Auto und fuhr hin.
Als er in der GutzkowstraÃe bei Schmittner/Mannfeld klingelte, wurde ihm erstmals bewusst, dass seine Kollegin nicht den Namen ihres Mannes angenommen hatte.
Jan machte einen verdatterten Eindruck, als er öffnete.
Vielleicht, dachte Born, sind sie ja schon mit dem Essen fertig, und ich störe sie gerade beim â¦
Den Finger auf die Lippen gelegt, winkte Jan ihn herein.
»Pssst, bitte leise, Henry schläft. Und Jula hast du um âne knappe Stunde verpasst.«
Dass sie nicht zu Hause sein könnte â damit hatte er nicht gerechnet.
»Wie kann ich sie denn erreichen?«, fragte er, den Blick auf die mit Kuhfell besetzten Clogs gerichtet, die Jan an den FüÃen trug.
»Am besten mobil.«
»Da nimmt sie aber leider nicht ab.«
Beim Ãberqueren der Untermainbrücke drehte Born die Heizung auf die oberste Stufe. Er verspürte nicht einen Funken Lust auf seine triste Bude in
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