Die Stunde des Löwen
denen gehabt als ich. Er war für sie der Mann ihres Vertrauens. Es dauerte, bis es mir gelang, ein vergleichbares Verhältnis aufzubauen.«
»Was hatten mein Onkel und Bronski mit den Rotlichtgeschäften zu schaffen?«
»Nichts.«
»Und warum dann der Einbruch bei mir?«, wechselte Fremden auf das zweite der heiklen Themen.
»Nicht wegen der Akte, falls Sie das glauben.« Rosen drehte an dem goldenen Ehering, der am kleinen Finger seiner rechten Hand steckte und offensichtlich seiner Frau gehört hatte. »Varujan hat von mir ganz allgemein den Auftrag erhalten, nach belastendem Material zu suchen, das mich mit den Geschäften in Moldawien in Verbindung bringen könnte.«
»Wieso vermuteten Sie, dass welches im Haus war?«
»âºVermutenâ¹ ist zu viel gesagt. Ich habe befürchtet, dass es so sein könnte, als Sie auftauchten, mir das Foto unter die Nase hielten und unangenehme Fragen stellten. Ich wusste, dass Ihr Onkel vor Jahren mal für Hugo ermittelt hat. Aber nicht, in welcher Angelegenheit. Und auch nicht, ob er im Zuge seiner Nachforschungen etwas über die Geschäfte mit den Frauen herausgefunden hat. Ich war total erstaunt, als Varujan mir die Akte brachte und ich durch sie erfuhr, dass Hugo erpresst worden war.«
»Das wussten Sie nicht?«
»Ich hatte nicht die geringste Ahnung.«
Aus einem der unteren Stockwerke drang das Geschrei einer Horde Kinder nach oben.
»Glauben Sie, dass Bruckner wegen seiner Machenschaften in Moldawien erpresst wurde?«
»In dem Fall hätte er mich als seinen Partner informieren müssen.«
»Theoretisch ja. Aber vielleicht hat er keine Schwäche zeigen wollen. Er wäre in Erklärungsnot geraten, weil er zulieÃ, dass ein Dritter von dem Frauenhandel erfuhr.«
Ohne auf das Argument einzugehen, begann Rosen, wieder mit dem Ehering zu spielen. Nach einer Weile sagte er: »Wie können wir die Sache aus der Welt schaffen?«
»Sie meinen den Einbruch?«
»Ich würde wenigstens gern für den entstandenen Schaden aufkommen.«
Das war ein ganz anderer Edgar Rosen, der sich ihm da präsentierte. Nicht überheblich und jovial wie bei ihrem ersten Treffen.
»Es ist nur die Scheibe der Terrassentür zu Bruch gegangen. Bei Gelegenheit schicke ich Ihnen die Rechnung.«
»Ich möchte Ihnen das hier gern zurückgeben.« Rosen schob die Akte Bruckner über den Tisch.
»Kommen wir zu meiner Entführung«, sagte Fremden und legte den schmalen Ordner beiseite. »Die haben Sie doch auch veranlasst?«
»Weil ich Sie einschüchtern wollte. Die Gefahr war einfach zu groÃ, dass Sie, wenn Sie weiterschnüffeln, hinter meine Geschäfte mit den Mädchen kommen.«
»Angst, ich könnte das den Behörden melden?«
»Ja.«
»Und heute geben Sie alles unumwunden zu.«
Rosen zuckte mit den Schultern und seufzte. »Macht es bei dem Fotomaterial, das Sie mir geschickt haben, noch Sinn, zu leugnen? AuÃerdem habe ich seit einigen Tagen andere Sorgen.«
Daraufhin blieb es einen Moment lang still.
»Glauben Sie«, setzte Fremden neu an, »dass es einen Zusammenhang zwischen Bruckners Tod, den Rotlichtgeschäften und dem Mord an Ihrer Frau geben könnte?«
Rosen starrte ihn mit weit geöffneten Augen an. »Dass Marthas Ermordung etwas mit Hugo oder Moldawien zu tun haben könnte, halte ich für ausgeschlossen. Es wurde ja auch noch diese andere Frau getötet.«
»Kannten Sie sie?«
»Das Gleiche wollte die Polizei auch wissen. Ich habe sie noch nie vorher gesehen und kann mir auch nicht vorstellen, dass Martha sie gekannt hat.«
»Haben Sie eine Idee, weshalb jemand Bruckner hätte töten wollen?«
Rosen schüttelte den Kopf.
»Es herrscht doch bestimmt eine Wahnsinnskonkurrenz im Prostitutionsgeschäft. Gab es denn niemanden, der gern Ihre Marktanteile übernommen hätte?«
»Die gab es sicher. Doch wie ich bereits sagte: Hugo und ich agierten immer im Hintergrund. Kaum jemand kannte unsere Identitäten. Aber da Sie immer wieder auf Hugos Tod zu sprechen kommen: Mir fällt da noch etwas ein, was Sie interessieren könnte. Es hat mit seiner Frau zu tun. Wenige Wochen nach dem Unfall am See hab ich Amelie auf der StraÃe gesehen. Vor dem âºHessischen Hofâ¹. Sie war in Begleitung eines ziemlich jungen Mannes.« Rosen machte eine Pause, in der er
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